Wohnen:Führt die Neuberechnung der Grundsteuer in München zu steigenden Mieten?

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Die Mieten steigen, wie hier in der Isabellastraße in Schwabing, seit Jahren. (Foto: Florian Peljak)
  • Bundesfinanzminister Olaf Scholz legt den Regierungschefs der Länder Pläne zur Neuberechnung der Grundsteuer vor.
  • In München löst der Vorstoß heftige Kritik aus: Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) warnt vor einer höheren Steuerbelastung für Mieter.

Von Anna Hoben und Dominik Hutter

Wer wolle, dass die Sozialdemokraten weiterhin so schlechte Wahlergebnisse einfahren, der "muss nur so weiter machen". Mit diesen drastischen Worten beurteilt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die Pläne von Bundesfinanzminister Olaf Scholz zur Neuberechnung der Grundsteuer. "Das ist der inhaltlich völlig falsche Ansatz, jetzt eine Reform zu konzipieren, die dazu führt, dass in Ballungsräumen die Mieten steigen", so Reiter. "Da kann ich nur den Kopf schütteln."

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Bundesregierung im April dieses Jahres dazu verpflichtet, die Grundsteuer neu zu berechnen. Die Richter monierten, dass die aktuellen Steuerbescheide auf völlig veralteten Grundstückswerten beruhten. Die neue Regelung soll von Bundestag und Bundesrat bis Ende 2019 beschlossen und bis Ende 2024 umgesetzt werden. Finanzminister Scholz will die Grundsteuer künftig für jede Wohnung individuell berechnen lassen und nicht mehr für Wohngebäude insgesamt. Grundlage sollen Fläche und Alter sowie bei Mietwohnungen die jeweilige Höhe der Miete sein.

In München lösen die Pläne, die Scholz am Mittwoch den Regierungschefs der Länder vorlegte, Kopfschütteln und heftige Kritik aus. Denn das Wohnen in der Stadt würde so wohl noch teurer werden. "Je höher die Miete, desto höher die Grundsteuer", sagt Volker Rastätter, Geschäftsführer des Mietervereins, so sähe es nach dem Scholz-Modell aus. "Das ist nicht gerecht." Eigentümer, die ihre Wohnung selber nutzen, sollen nach den Plänen des Finanzministers eine fiktive Miete berechnen. Als Berechnungsgrundlage könnte die Wohngeldtabelle dienen. "Das würde bedeuten, dass Eigentümer weniger Grundsteuer bezahlen als Mieter", so Rastätter.

Er favorisiert eine Steuer, die sich am Bodenrichtwert bemisst und nicht auf die Mieter umgelegt wird. "Das hätte den Effekt, dass Eigentümer, die Bauland nicht bebauen, wenigstens entsprechend bezahlen." Mit dem Geld könnte die Stadt selber Wohnungen bauen. Der Reformvorschlag des Ministers sei grundsätzlich nicht praktikabel. "Ich kann mir auch schlichtweg nicht vorstellen, wie man innerhalb von vier Jahren alle Wohnungen in Deutschland neu bewerten soll." Das gleiche einem Arbeitsbeschaffungsprogramm für Steuerbeamte.

In diesem Punkt ist sich Rastätter einig mit Rudolf Stürzer, dem Vorsitzenden des Münchner Haus- und Grundbesitzervereins. Er bezeichnet die Pläne als "Bürokratiemonster, das in der Praxis niemals funktionieren würde". Die Auswirkungen auf die Mieten in München könne man noch schlecht absehen. Letztlich habe auch die Stadt es in der Hand, "wie sie ihren Hebesatz gestaltet". Nach Scholz' Plänen könnten Städte künftig unterschiedliche Hebesätze je nach Stadtbezirk erheben. Die Mieten könnten so beispielsweise in Bogenhausen stärker steigen als in Neuperlach.

318 Millionen Euro spülte die Grundsteuer im vergangenen Jahr in die Stadtkasse. Damit ist sie eine unverzichtbare Einnahmequelle - verglichen mit der Gewerbesteuer (2,5 Milliarden Euro) allerdings ein kleinerer Posten. Pro Quadratmeter Wohnfläche werden für die Münchner Mieter etwa 25 Cent im Monat fällig; bei einer 100-Quadratmeter-Wohnung läppert sich das auf 300 Euro im Jahr.

Doch warum soll die Grundsteuer überhaupt auf die Mieter umgelegt werden? Auch OB Reiter stellt das grundsätzlich in Frage. Dass die vorgelegte Reform im Sinne des Bundesverfassungsgerichts ist, glaubt er nicht. Er sei sich sicher, dass der Vorschlag keine Mehrheit findet. "Ich erwarte einen Vorstoß der SPD, dass die Grundsteuer wieder zu dem wird, als was sie ursprünglich konzipiert war: zu einer Steuer, die Eigentümer belastet, nicht Mieter."

© SZ vom 28.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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