Süddeutsche Zeitung

Neuaubing:Rasen mit Riegel

Auf dem Fußballplatz am Überlinger Weg, den die Mittelschule an der Reichenaustraße nur selten braucht, wurde früher eifrig gekickt - bis die Stadt ein Schloss anbrachte. Nun wird er gegen Gebühr für Fremdnutzer geöffnet

Von Ellen Draxel, Neuaubing

Der Fußballplatz am Überlinger Weg ist heiß begehrt. Offiziell gehört er zwar zur Ausstattung der Mittelschule an der Reichenaustraße, obwohl er einige hundert Meter von der Schule entfernt liegt. Doch weil er die einzig große Kickerfläche im weiten Umfeld eines dicht besiedelten Gebiets ist und von der Schule nur selten gebraucht wird, haben ihn in den vergangenen 20 Jahren auch immer gerne Freizeitsportler genutzt - zum Beispiel die Kinder und Jugendlichen der direkt an den Platz angrenzenden Jugendfreizeitstätte "Awo's Fredl". Sie übten auf dem Gelände Bogenschießen, Bumerang werfen oder Diabolo-Kunststücke. Oder spielten Fußball, wie viele andere ebenfalls. Auch der FC Mainaustraße, ein erfolgreich in der Freizeitliga "Royal Bavarian Liga" (RBL) spielendes Team aus Bewohnern der Gemeinschaftsunterkunft an der Mainaustraße, trainierte regelmäßig am Überlinger Weg. Bis das frei zugängliche Areal im vergangenen Winter plötzlich verschlossen war.

"Auf einmal war der Platz zu, das war für die meisten erschreckend", weiß Rüdiger Heid vom Verein "Bunt kickt gut". Der Sportplatz, der "in der Vergangenheit häufig von Unbefugten betreten" werden konnte, weil das Schloss des Tores mehrmals aufgebrochen worden war, wie das städtische Referat für Bildung und Sport erklärt, war nun verriegelt. Passanten, so die Behörde, hätten die offene Fläche vermüllt, Hunde dort ihr Geschäft verrichtetet. "Um den Schülern einen Sportunterricht in sauberer Umgebung zu ermöglichen, war eine Sicherung des Eingangstores mit einem Schloss notwendig", sagt Bildungsreferats-Sprecherin Katharina Rieger.

Inzwischen jedoch darf die Mannschaft des FC Mainaustraße wieder dreimal pro Woche auf dem Gelände trainieren. "Bunt kickt gut" hat eine "Überlassungsvereinbarung" mit dem Referat für Bildung und Sport geschlossen und entrichtet dafür Heid zufolge eine Gebühr von 80 Euro für die Zeit von April bis September. Die Kosten, erläutert Rieger, seien eine Vorgabe der Gemeindeordnung - laut Artikel 75 sei eine unentgeltliche Überlassung von Gemeindevermögen "unzulässig". Aus diesem Grund darf FC-Trainer Tangara Boubacar, der jetzt die Schlüsselgewalt innehat, auch niemand anderen als seine Jungs auf den Platz lassen - so gerne er es vielleicht möchte.

Ideal findet Heid die Lösung trotzdem nicht. "Mir wäre der offene Zugang lieber." Auf einem frei zugänglichen Sportplatz könnten alle Kinder und Jugendliche aus der Umgebung ihren Bewegungsdrang ausleben und soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Toleranz und Fairness schulen. "Das wäre notwendig, sonst besteht die Gefahr, dass sich die jungen Leute anderweitig austoben." Ähnlich argumentiert Pädagoge Botho Reithmeier, der seit 13 Jahren dem Team der Jugendfreizeitstätte Awo's Fredl angehört. "Es wäre schon sehr sinnvoll, wenn dieser Platz wieder von der Öffentlichkeit genutzt werden könnte." Die Sportfläche werde regelmäßig gewartet und einmal pro Woche gemäht, aber nicht allen zur Verfügung gestellt.

Der Bezirksausschuss Aubing-Lochhausen-Langwied unterstützt die Forderung ebenfalls. Zumal es ein offenes Geheimnis im Viertel ist, dass sich so mancher Sportwillige nicht vom verschlossenen Tor abschrecken lässt. Besucher, Jugendliche wie Erwachsene, klettern nach wie vor mangels Alternativen durch und über den Zaun.

Für den Gründer der integrativen Straßenfußball-Liga "Bunt kickt gut" Rüdiger Heid ist das Beispiel Überlinger Weg ein Präzedenzfall. "Einerseits", lobt er, "ist es toll, dass sich die Stadt im öffentlichen Raum so engagiert". In der Grünanlage Im Gefilde in Neuperlach etwa könne mittlerweile bis Mitternacht mit Flutlicht gekickt werden. Andererseits mangele es stadtweit an Sportflächen für die Allgemeinheit, der Bedarf sei wesentlich höher als das Angebot. "Die Sportplätze, die zu Schulen gehören, stehen oft lange Zeit leer, nicht nur am Wochenende und in den Ferien", sagt Heid. "Deshalb muss die Frage erlaubt sein, inwieweit es möglich ist, Schulanlagen auch öffentlich zu nutzen." Die Kontrollschiene, meint er, sei inzwischen viel stärker ausgeprägt als früher, seit viele Anlagen vom Zentralen Immobilienmanagement und nicht mehr vom Sportamt verwaltet würden.

Für den Fußballplatz am Überlinger Weg wüsste Heid schon eine Lösung: Der Trainer des FC Mainaustraße, Tangara Boubacar, hat sein Asylverfahren jetzt positiv abgeschlossen. Er könnte bei der Stadt demnach eine Funktion als Platzwart übernehmen - so er und die Stadt das wollen.

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Quelle:
SZ vom 10.07.2018
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