Neuanfang:Der Gestalter

Starnberg, Museum Starnberger See, LeiterTillig

"Ich trage eine riesige Verantwortung, und ich trage sie gerne", sagt Benjamin Tillig, Leiter des Museums Starnberger See.

(Foto: Georgine Treybal)

Benjamin Tillig, neue Leiter des Museums Starnberger See, will für das Haus ein Konzept entwickeln, das nicht nur auf Tradition setzt

Von Katja Sebald, Starnberg

"Mit dem Begriff Heimat tue ich mich sehr schwer", sagt Benjamin Tillig. Vielleicht ist er gerade deshalb genau der Richtige, um für das ehemalige Heimatmuseum der Stadt Starnberg, heute Museum Starnberger See, ein neues Konzept zu entwickeln. Der gebürtige Leipziger studierte in Köln und wechselte diesen Sommer nach nur einem Jahr am Wilhelm-Busch-Museum in Wiedensahl bei Hannover nach Starnberg.

Hatte Tillig bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in Starnberg mit der Ankündigung, er wolle sich dem Thema "Seeungeheuer" widmen, noch für Irritationen gesorgt, so hat er jetzt mit seiner ersten Ausstellung ein deutliches Zeichen gesetzt: Der Tiroler Fotograf Lois Hechenblaikner hinterfragt mit seinen Bildern die kulturelle Umdeutung seiner Heimat und ihrer Traditionen zum emotionalen Konsumartikel bei Konzerten der volkstümlichen Musik von Hansi Hinterseer und Co. In der Ausstellung "Volks Musik" sind ebenso anrührende wie erschreckende Porträtfotos von Fans der Szene zu sehen. Zum Rahmenprogramm gehört ein Abend zum Thema "Heimat" mit der Kulturwissenschaftlerin Simone Egger, die unter anderem über das Phänomen Wiesn-Tracht forschte.

Hinter den Kulissen passiert aber bereits viel mehr. Man müsse das Museum ans Hier und Jetzt anbinden, davon ist Tillig überzeugt. Tiefgreifende Veränderungen seien dafür notwendig, aber er wolle bewusst langsam vorgehen. "Was man jetzt anpackt, muss Hand und Fuß haben", betont er. Anders als seine Vorgängerin Sibylle Küttner, die sich mit ihren Ideen für die Umgestaltung der Dauerausstellung nicht durchsetzen konnte und schließlich entnervt das Handtuch warf, hat sich Tillig vom Kulturausschuss des Stadtrats und der Stadtverwaltung offiziell mit der Entwicklung eines neuen Leitbilds, eines Museums-, Sammlungspflege- und Vermittlungskonzepts beauftragen lassen.

"Ich trage eine riesige Verantwortung und ich trage sie gerne", sagt Tillig. Für das "Abstauben" im Museum hat er allerdings eine ausgesprochen hochkarätige "Putzkolonne" bestellt, wie er es scherzhaft formuliert: Die Leiter von namhaften Museumseinrichtungen und ein Stuttgarter Gestalter beraten ihn im Leitbildprozess zu unterschiedlichen Themen. Schon jetzt weiß er, dass er Geschichte anhand von Exponaten erzählen will. Eine heute gängige Methode, die auch im neuen Regensburger Museum der Bayerischen Geschichte praktiziert wird. Die Umgestaltung des Museums wird auch das Thema der nächsten Sonderausstellung sein, für die Tillig noch nie gezeigte Exponate aus dem Depot holen will.

Aber auch das Museumsgebäude selbst steht im Fokus seiner Aufmerksamkeit: "Das ist der größte Schatz, den wir hier haben", sagt er mit Blick auf die Kombination aus historischem Gebäude und moderner Museumsarchitektur.

Im Untergeschoss hat er bereits begonnen, die Schönheit des vom Büro Guggenbichler & Netzer geplanten Gebäudes wieder freizulegen. Die Lösung einiger technischer Probleme will er kurzfristig angehen, ebenso die Brandschutzmaßnahmen für den Altbau. "Ich bin überzeugt, dass jedes Museum nur gewinnen kann, wenn es dem Besucher die Möglichkeit gibt, es sich auf eigenen Wegen zu erschließen", sagt er im Hinblick auf die Umgestaltung der Dauerausstellung. Und: "Wenn es nach mir geht, dann wird es ein Museum, das große Bögen spannt zwischen Geschichte und Gegenwart."

Es soll also künftig nicht nur um Fischerei und Schifffahrt, Tradition und Tracht, Volkskundliches und Heimatgeschichtliches gehen, nach Tilligs Vorstellungen sollen auch zeitgenössische künstlerische Positionen Platz im Museum haben. Das ist kein Wunder, denn er hat anders als seine Vorgängerinnen keinen volkskundlichen oder historischen Hintergrund. Tillig arbeitete nach einem Studium der Medienkunst und Medienwissenschaft zunächst als Künstler und bezeichnete sich dann als Kurator.

Den Begriff "Heimat" sieht Tillig vor allem historisch belastet und heute von Populisten vereinnahmt. Er selbst assoziiere damit auch ein Abschließen nach außen. Eine "ganz seltsame Sehnsucht" nach Heimat spüre jedoch auch er: "Vielleicht liegt es daran, dass ich in einem Land aufgewachsen bin, das es heute nicht mehr gibt." Tillig wurde 1981 in Leipzig geboren und hat an seine Kindheit in der DDR positive Erinnerungen. So etwas wie Heimatgefühle spüre er aber auch in Köln und in München, wo er heute lebt.

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