"Europa ist Spitze in der Forschung, wir sind Spitze in unseren ethischen Werten, aber uns fehlen IT-Champions, die den USA oder China etwas entgegensetzen können", sagt Gabi Dreo. Die Informatikerin ist angetreten, dies zu ändern. Sie leitet ein europäisches Projekt unter dem schönen Namen Concordia, die Eintracht. Es soll die Abhängigkeit von Tech-Giganten wie Google, Microsoft, Amazon, Facebook oder Huawei mindern. Der aktuelle Streit um das 5G-Mobilfunknetz ist nur ein Beispiel für diese Abhängigkeit. "Europa darf keine digitale Kolonie werden", sagt Gabi Dreo.
Die Professorin, 54, ist Spezialistin für Netzsicherheit. An der Bundeswehr-Universität in Neubiberg hat sie das nationale Forschungsinstitut Code für Cyber Abwehr aufgebaut. Denn längst gehören Hackerangriffe auf Firmen oder Infrastrukturen zum Alltag. Sie könnten eine ganze Region lahm legen, Krankenhäuser, Wasserversorgung, Verkehrsbetriebe. Nicht nur deswegen gilt die Cyberverteidigung in der Bundeswehr als vierte Streitmacht, neben Heer, Marine, Luftwaffe.
Bei Concordia geht es nun um den europäischen Zusammenschluss. 55 Partner aus 19 Ländern sind dabei, Universitäten, Unternehmen, Start-ups, Verwaltungen. 16 Millionen Euro gab es dafür von der EU. Inzwischen sei das Interesse so groß, dass immer mehr Organisationen mit eigenem Geld einsteigen, wie etwa der schwedische Hersteller Ericsson. "Wir bringen Wissenschaft und Industrie zusammen, um europäische IT-Produkte und Lösungen zu entwickeln, Aus- und Weiterbildung zu fördern, Start-ups zu unterstützen", sagt Dreo. "Europa muss zusammenhalten." Da spielt Vertrauen eine Rolle. Aber kann das klappen in einer Familie mit 27 Mitgliedern? Ja, sagt Dreo. Man entwickle derzeit Plattformen für den Austausch sicherheitsrelevanter Informationen für den Telekommunikations- und den Finanzsektor. "Die ersten Resultate sind sehr ermutigend."
Als europäische Vermittlerin ist Gabi Dreo nicht zuletzt durch ihre Biografie geradezu prädestiniert. In Slowenien aufgewachsen, der Vater Holländer, die Mutter Slowenin, hat sie in Maribor Informatik studiert. Als Austauschstudentin kam sie nach München, promovierte und habilitierte an der LMU, forschte später am Supercomputer des Leibniz-Rechenzentrums. Seit 2004 ist sie Lehrstuhlinhaberin für Kommunikationssysteme und Netzsicherheit an der Bundeswehr-Universität, seit 2017 leitende Direktorin des Forschungsinstituts Code und seit 2019 Chefin von Concordia.