Reimraum:Rap-Realismus

Reimraum: Auf dem neuen Album "Morgengrauen" schauen Neonschwarz nicht mehr so zuversichtlich wie früher in die Zukunft.

Auf dem neuen Album "Morgengrauen" schauen Neonschwarz nicht mehr so zuversichtlich wie früher in die Zukunft.

(Foto: Robin Hinsch)

Die Hamburger Hip-Hop-Gruppe "Neonschwarz" findet auf ihrem jüngsten Album die Balance zwischen Optimismus und Nüchternheit.

Von Vivian Harris, München

Für vier Hamburger ist die Pandemie, zumindest was das Timing angeht, ganz gut ausgegangen. Das Auftreten vor großem Publikum haben Neonschwarz während der Lockdowns nicht wirklich vermisst. Die Hip-Hop-Truppe war zu der Zeit anderweitig beschäftigt - mit ihrem dritten Studio-Album. Im Februar dieses Jahres ist "Morgengrauen" dann erschienen. Und auch die "Salto Mortale"-Tour konnte (bis auf ein paar Nachholtermine, wie im Münchner Strom) normal stattfinden.

Aber klar, die vergangenen Jahre haben auch beim norddeutschen Quartett rund um die Rapper Johnny Mauser und Captain Gibs, die Sängerin Marie Curry und den DJ Spion Y Spuren hinterlassen. Menschlich wie musikalische. 2014, beim Langspieler-Debüt "Fliegende Fische", hat man den Optimismus gehört und gespürt - in Party-Beats und rosigen Zukunftsaussichten. Auf "Morgengrauen" sind die Melodien genauso lebensfroh geblieben, aus den Utopien aber eher Dystopien geworden. Das liegt an der persönlichen Entwicklung der Bandmitglieder - seit der Gründung sind etwa zehn Jahre vergangen, da ändert sich die Weltanschauung eben -, aber auch an der politischen Lage: Man käme "allein mit der Hoffnung, ein paar dumme Nazis wegzuscheppern", nicht weit, sagt Johnny Mauser.

Neben dem globalen Rechtsruck, Kapitalismus und Misogynie thematisieren Neonschwarz diesmal auch die Pandemie und den Klimawandel: "Hitzefrei" handelt zum Beispiel vom Jahr 2069, in dem an der Nordsee Palmen wachsen und Jakarta zu Atlantis geworden ist. Trotz poppiger Beats und des humorvollen Umgangs mit der Situation klingt das alles erstmal ernster, weniger nach Aufbruchsstimmung, und positiv gestimmt schon gar nicht. Aber der Funken Optimismus bleibt: durch das Bewusstsein, dass man nicht mehr in eine bessere Zukunft fliehen kann, sondern dafür das Hier und Jetzt hier und jetzt anpacken muss.

Neonschwarz, Samstag, 16. Juli, 20 Uhr, Strom, Lindwurmstr. 88

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