Süddeutsche Zeitung

Nazi-Nippes:Sammelobjekte, gefertigt von KZ-Häftlingen

In der Porzellanmanufaktur München-Allach, die sich die SS eingliederte, entstanden Figuren, Vasen oder Leuchter. Vor allem vermögende Russen zahlen für die Skulpturen mit den Runen Höchstpreise.

Von Georg Etscheit

Münchner Kindl, 1400 Euro; Schäferhund liegend, farbig, 1500 Euro; Barock-Leuchter mit Jagdmotiven, fünfkerzig, 5800 Euro: Historisches Porzellan aus der Manufaktur München-Allach ist weltweit gefragt. Der Internetshop von "Allacher Porzellan" bietet vieles - von "herzig" bis "politisch". Nur Skrupel darf man nicht haben, wenn man sich "echt Allach" in die Vitrine stellt. Denn der Betrieb war so etwas wie der Hoflieferant der SS und ihres skrupellosen Chefs Heinrich Himmler.

Um zu sehen, was es mit der Marke Allach auf sich hat, muss man die Figuren, Vasen oder Leuchter umdrehen: Wo sich Meissen mit den berühmten blauen Schwertern zu erkennen gibt, Nymphenburg mit dem blau-weißen Bayernwappen und die Königlich Preußische Porzellanmanufaktur (KPM) mit einem Zepter, prangen bei Allach die SS-Runen. Der "Reichsführer SS" Himmler schenkte den Nazi-Nippes seinen Freunden und Kameraden vom Schwarzen Corps und gab ganze Sonderserien in Auftrag. Etwa einen "Lebensleuchter" für SS-Männer mit der Widmung: "Alle guten Wünsche für unser Volk, für Deine Sippe, für Deine Eltern, für Dich! Heinrich Himmler." Alles gefertigt mit Hilfe von Zwangsarbeitern des Konzentrationslagers Dachau.

Es gibt ein Foto, auf dem Himmler neben seinem obersten Dienstherren Adolf Hitler zu sehen ist. Vor ihnen eine Porzellangruppe von acht farbigen Fußsoldaten des Allach-Künstlers Richard Förster. Sie waren ein Geschenk zu Hitlers 55. Geburtstag im April 1944, den der Diktator auf seinem "Berghof" bei Berchtesgaden feierte.

Begründet wurde die Marke "Allach" von dem in Ungarn geborenen Porzellanfabrikanten Franz Nagy und dem Porzellanmaler Karl Diebitsch im Jahre 1920. Zunächst wurde auf einem Privatgrundstück in München-Allach produziert, wobei namhafte Porzellan-Künstler wie Förster und Theodor Kärner die Entwürfe lieferten. Diebitsch, Nationalsozialist der ersten Stunde, knüpfte Kontakte zu Himmlers Truppe, die den Betrieb Ende der 30er Jahre übernahm und in ihr Wirtschaftsimperium eingliederte. Gefertigt wurden überwiegend Geschenke: für SS-Leute, Wehrmacht und Polizei sowie für ausländische Staats- und Stadtgäste. 1943 arbeiteten bis zu 100 KZ-Häftlinge in der Manufaktur, darunter zwei österreichische Spanienkämpfer als Porzellanbrenner.

Im Jahre 1937 umfasste der Allacher Katalog etwa 80 Modelle. Prunkstück einer Ausstellung, die von der Fachzeitschrift "Keramische Rundschau" wohlwollend besprochen wurde, war ein "ausgezeichneter Bildniskopf des Führers in dunklem Steinzeug". Die figürlichen Plastiken sollten "ein Spiegelbild unserer Zeit, unseres Erlebens und unseres Volkstums" sein, schrieb der Rezensent.

Wie viele Stücke noch kursieren, ist nicht bekannt. Doch dem Archivar der KZ-Gedenkstätte Dachau, Albert Knoll, ist nicht wohl bei dem Gedanken, welch stattliche Preise manche Sammler für das SS-Porzellan zu zahlen bereit sind: "Wir kaufen selbst hin und wieder Stücke für unser Archiv, doch wir vermeiden es unter allen Umständen, die Preise noch weiter hochzutreiben." Welche Motive die Sammler bewegen, darüber kann auch Knoll nur spekulieren. Ist es ein morbider Reiz, eine braune Gesinnung oder nur Geschäftssinn?

Besonders begehrt sind Figuren mit einschlägigem politischen Bezug. "Ich habe vor kurzem einen farbig gefassten SS-Reiter für 50 000 Euro verkauft", sagt Andreas Thiel, der in Dachau mit Allacher Porzellan handelt. Die Nachfrage sei groß, vor allem bei vermögenden Russen. "Die interessieren sich besonders für Bären und politische Motive." Auch das Münchner Auktionshaus Hermann Historica hat keine Skrupel, SS-Porzellan in seinen opulenten Katalogen anzubieten. "Eine Tabuisierung dieses Gebietes würde nur zu einem intransparenten Markt führen", heißt es in dem Wälzer. Selbst bei einem Dachauer Buchhändler und auf Ebay finden sich die NS-Devotionalien.

Bei den KZ-Häftlingen sei die Arbeit in der Manufaktur gegenüber anderen Kommandos bevorzugt worden, sagt Knoll. Dort blieb man zum Teil von den anstrengenden Appellen verschont und konnte sich im Winter an den Brennöfen aufwärmen. "Manche konnten sich sogar künstlerisch betätigen." Was nichts ändert an der Tatsache, dass auch ihr Leben immer in Gefahr war. Wer mit Allacher Porzellan handele, müsse sich bewusst sein, sagt Knoll, "dass es im Zeichen einer menschenverachtenden Ideologie stand und dafür Menschen gelitten haben".

Nach dem Krieg besetzten die Amerikaner die Manufaktur und nutzten sie für ihren "Labour Service". Danach verfiel sie und wurde 1978 abgerissen. Einige Stücke gelangten in die Dauerausstellung zur NS-Zeit im Münchner Stadtmuseum. "Bildhauerisch hat das schon eine gewisse Qualität", sagt Antonia Voit von der Sammlung Angewandte Kunst des Museums. "Aber es war eben dazu gedacht, dem damaligen Gedankengut einen künstlerischen Ausdruck zu verleihen." Möglicherweise wird man Allacher Porzellan bald auch im Münchner NS-Dokumentationszentrum begutachten können. "Wir haben auf jeden Fall vor, künftig Objekte auszustellen", sagt die neue Leiterin Mirjam Zadoff. Ob und in welchem Ausmaß NS-Nippes dabei sein werde, sei noch nicht entschieden.

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SZ vom 26.07.2018 / dpa
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