Nazi-Guillotine:Wohin mit dem Fallbeil?

Guillotine der Geschwister Scholl

Die Guillotine, mit der die Geschwister Scholl ermordet wurden, lagert im Depot des Bayerischen Nationalmuseums in München. Der großen Öffentlichkeit war dies bislang nicht bekannt. Inzwischen gibt es Überlegungen einer Ausstellung.

(Foto: Walter Haberland/Bayerisches Nationalmuseum München)

Seit dem Wochenende wird diskutiert, ob die Guillotine gezeigt werden soll, mit der zur NS-Zeit auch Mitglieder der "Weißen Rose" hingerichtet wurden. Und wenn ja, wo. Mehrere Möglichkeiten kommen in Frage. Experten sollen jetzt eine Lösung erarbeiten.

Von Stephan Handel

Einen "sensiblen und pietätvollen Umgang" fordert und verspricht Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) im Fall der wiedergefundenen Guillotine, mit der wohl auch Mitglieder der "Weißen Rose" hingerichtet wurden. Spaenle will einen Runden Tisch einberufen, der Vorschläge machen soll, was mit dem Mord-Instrument anzufangen ist - und wo es, wenn überhaupt, gezeigt werden könnte. Fünf Möglichkeiten dafür bieten sich an.

Bayerisches Nationalmuseum: In seinem Depot lagerte das Fallbeil jahrzehntelang unentdeckt - so wäre es die nächstliegende Lösung, es auch dort der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Jedoch sammelt und präsentiert das Nationalmuseum hauptsächlich die Hinterlassenschaft der Wittelsbacher, Kunstwerke, Trachten, Schwerter, Rüstungen. Eine Abteilung zur Aufarbeitung des Nazi-Regimes existiert nicht. Zwar besitzt das Museum mittelalterliche Folterinstrumente, Streckbänke, auch neuzeitlichere Guillotinen - diese werden jedoch nicht gezeigt, und das Nazi-Fallbeil dort einzusortieren, würde die Monstrosität der damit begangenen Verbrechen relativieren und bagatellisieren.

Haus der bayerischen Geschichte: Das Museum soll erst noch gebaut werden, in Regensburg, und 2018 eröffnen, was für Historiker in allernächster Zukunft liegt. Nach allem, was konzeptuell bislang bekannt ist, wird die Schau wohl eher eine volkskundliche, die sich mehr dem Phänomen Bayern widmet als der Geschichte und der Politik. Grundsätzlich wäre die Guillotine dort am richtigen Ort - wenn sie ihrer Bedeutung gemäß präsentiert und in den historischen Kontext eingeordnet wird.

NS-Dokumentationszentrum: Winfried Nerdinger, Gründungsdirektor des NS-Dokuzentrums, legt sich fest: Bei der Festlegung des Konzepts sei entschieden worden, "in der künftigen Dauerausstellung keine Gegenstände und Objekte aus der NS-Zeit zu zeigen". Es soll vielmehr "anhand von Fotos, Dokumenten und anderen historischen Quellen eine sachliche, rationale und informative Dokumentation" entwickelt werden. Dramatisierende, inszenierende oder aktiv emotionalisierende Darstellungen sollen bewusst vermieden werden. Nerdinger plädiert dafür, die Guillotine überhaupt nicht zu zeigen: "Ich bezweifle, ob ein solcher Tötungsapparat, mit dem über 1000 Menschen hingerichtet wurden, überhaupt in irgendeinem musealen Kontext öffentlich gezeigt werden kann, ohne dass er eine fragwürdige Faszination oder nur einen Schauereffekt ausübt."

Stadtmuseum: Seit der Neukonzeptionierung der Dauerausstellung über die Münchner Geschichte zum 850. Stadtgeburtstag vor fünf Jahren ist das Haus am Jakobsplatz nicht mehr nur eine Aufbewahrungsstelle für mehr oder weniger sinnvoll zusammengestellte Münchnereien, sondern besitzt ein durchdachtes Konzept und eine sinnvolle Präsentation - auch über die Zeit des Nationalsozialismus in der "Hauptstadt der Bewegung". München war auch der Haupt-Wirkungsort des Scharfrichters Johann Reichhart, auch wenn er wohl mit seiner Guillotine auf Reisen ging und anderswo in Bayern Menschen hinrichtete. Als Teil der Münchner Stadtgeschichte würde sie also durchaus ins Stadtmuseum passen. Allerdings ist fraglich, ob der Freistaat das in seinem Eigentum stehende Stück einem städtischen Museum zur Verfügung stellen würde.

Justizvollzugsanstalt Stadelheim: Hier würde die Guillotine an den Ort ihres schrecklichen Wirkens zurückkehren - jedoch nur fast: Die historische Hinrichtungsstätte existiert nicht mehr, dort wurde vor Jahren ein Unterkunftsgebäude gebaut. Zwar gibt es auf dem Gelände eine Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus. Die hält Gefängnisdirektor Michael Stumpf als Standort für die Guillotine aber für ungeeignet, weil sie unter freiem Himmel und zudem nur durch die Personenkontrolle des Gefängnisses erreichbar ist. "Wenn da wirklich Heerscharen hinkommen würden, könnten wir das gar nicht leisten", sagt Stumpf. "Der Zugang müsste ganz anders gestaltet werden."

Keine öffentliche Präsentation: Die Guillotine nicht öffentlich zu zeigen, ist eine Option mit durchaus ehrenwerten Argumenten, unter anderem deswegen, weil sie von einem Beteiligten selbst kommen: Franz Josef Müller, einer der letzten Lebenden der "Weißen Rose", spricht sich strikt gegen eine Ausstellung aus. "Mit dem gewaltsamen Tod sollte man keine Show machen", sagt er. Ein Runder Tisch, wie auch immer er besetzt ist, wird diese Stimme ernst zu nehmen haben.

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