Nazi-Bau:Zuschauertribüne am Flughafen Riem rottet vor sich hin

Nazi-Bau: Das Bauwerk ist einsturzgefährdet. Deshalb soll zumindest die Rückwand auf einer Länge von 105 Metern stabilisiert werden.

Das Bauwerk ist einsturzgefährdet. Deshalb soll zumindest die Rückwand auf einer Länge von 105 Metern stabilisiert werden.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Zuschauertribüne am früheren Flughafen in Riem verfällt zusehens.
  • Nun muss der Stadtrat darüber abstimmen, was mit dem Denkmal geschehen soll.
  • Die Nationalsozialisten hatten die Tribüne einst für ihre Flugshows gebaut.

Von Heiner Effern

Der Traum vom Fliegen will sich nicht mehr einstellen beim Anblick dieser Betonbrocken unter gelblich-braunem Grasgewächs. Krüpplige Nadelbäume, Birken und allerlei Flechten wachsen auf diesen Stufen, von denen einst Fernwehgetriebene und Technikfans diese neuen Wunder der Ingenieurskunst beim Starten und beim Landen beobachteten.

Geht man näher ran an die Besuchertribüne des früheren Flughafens in Riem, stößt man auf einen in einem Graben gebauten Zaun, an dem ein Schild warnt: "Achtung Einsturzgefahr!" Am Ende des Zauns steht ein leeres Gebäude, die Rückseite der vier Meter hohen Tribüne bröckelt und bröselt auf ihrer vollen Länge von etwa 500 Metern. Hier sichert ein mobiler Bauzaun die Anlage, die derzeit wohl den Preis für das verfallenste Denkmal Münchens mühelos gewinnen würde.

Das verfallenste Denkmal der Stadt

Dass es sich um solches handelt, verbirgt die Stadt als Eigentümerin vor Anwohnern und Passanten bis heute durch einen konsequenten Verzicht auf Schilder und Hinweistafeln. In der Liste des Denkmalschutzes wird die Tribüne neben den noch erhaltenen Tower und der Wappenhalle dennoch als dritte Zeitzeugin für den früheren Münchner Flughafen angeführt: "Rest der Zuschauertribüne mit abschließender Kassenhalle, erdgeschossiger Flachdachbau, sämtlich aus Nagelfluh", heißt es dort. Am kommenden Donnerstag soll der Stadtrat im Kommunalausschuss entscheiden, wie es weitergeht mit dem Denkmal, dessen Sinn sich nicht jedem gewählten Bürgervertreter erschließt.

Zu dieser Gruppe gehört Alexander Reissl, Fraktionschef der SPD. Er hält eine Zuschauertribüne und ein ehemaliges Kassenhaus nicht unbedingt für die idealen steinernen Zeugen eines Flughafens. "Hochgradig verkopft" findet er es, solch marginalen Randbauten von früher eine so zentrale Bedeutung für die Zukunft zu geben. "Hier erklärt der Denkmalschutz ein Bauteil für heilig, das mit dem Flughafen nichts zu tun hat. Ich habe noch nicht viele getroffen, die viel Verständnis dafür haben", sagt Reissl.

Nazi-Bau: In den Fünfzigerjahren wurde die Tribüne am Riemer Flughafen noch genutzt, hier bei einem Motorradrennen.

In den Fünfzigerjahren wurde die Tribüne am Riemer Flughafen noch genutzt, hier bei einem Motorradrennen.

(Foto: Wulf Diether Graf zu Castell/FMG)

Vielleicht eine Minimallösung?

Getroffen hat der SPD-Fraktionschef in den vergangenen Tagen in der Causa Zuschauertribüne aber seinen CSU-Kollegen Hans Podiuk. Der zeigt wie Reissl keine große Lust, für das Denkmal in Riem mehr Geld als unbedingt nötig auszugeben, doch pauschal für Unsinn erklären will er es nicht. Er verpackt die Minimallösung, auf die sich die Rathausmehrheit wohl verständigen wird, in Politikerwatte. "Du musst die Leute mitnehmen", sagt Podiuk. Er meint die Menschen, die sich in Riem eine Sanierung und Nutzung der Tribüne wünschen.

Allerdings macht er diesen auch gleich klar, wohin er sie nicht mitnehmen wird: "Für Wunschträume wird das Geld nicht reichen." Dazu gehören eine groß angelegte Sanierung inklusive Nutzung durch die Anwohner. Und wohl auch ein schon konkret geplantes Kunstwerk, das auf der Tribüne installiert werden soll.

Einst einer der modernsten Flughäfen der Welt

Nazi-Bau: Inzwischen ist die Tribüne verfallen und verwildert.

Inzwischen ist die Tribüne verfallen und verwildert.

(Foto: Claus Schunk)

Einig sind sich CSU und SPD, dass sie für die ehemalige Kassenhalle, heute als "Kopfbau" firmierend, einen Wirt suchen wollen. Damit würde die Stadt an die letzte Blütezeit des Gebäudes anschließen: Während der Bundesgartenschau 2005 diente der Kopfbau als Café und Lounge. Errichtet wurden die Kassen halle und die Tribüne während der Bauzeit des Flughafens von 1937 bis 1939 von den Nationalsozialisten. Große Flugtage waren geplant, die der NS-Propaganda dienen sollten.

Riem galt damals als einer der modernsten Flughäfen der Welt, viele Flugzeuge nach Süden und Südosten starteten und landeten im Münchner Osten. Letztmals war die Tribüne gut besucht, als 1983 eine Concorde in München landete. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Flughafenbetreiber schon längst ein Stück Tribüne für ein Parkhaus weggerissen. Nach dem Umzug des Flughafens ins Erdinger Moos entstand auf dem Gelände ein neues Stadtviertel, an dessen Rand nun die Zuschauertribüne verläuft.

Viele Ideen seit der Buga 2005

Im Jahr 2005 richtete München in Riem die Bundesgartenschau aus. Seither wabern viele Ideen für das Denkmal durch die Stadt, doch den richtigen Nährboden fanden nur Pflanzen, die das Denkmal nach und nach vereinnahmten. Mittlerweile ist die Tribüne nicht nur ein historisches Denkmal, sondern auch ein kartiertes und geschütztes Biotop. Das finden selbst die Grünen, die Pflanzen schätzen und lieben wie kaum eine andere Partei, "höchst widersprüchlich", wie Stadtrat Herbert Danner einräumt. "Die Stadt muss eigentlich beides erhalten." Dass dafür viel Geld loszuschlagen ist, glaubt aber auch Danner nicht. Ihn ärgert, dass die Sanierung zur Buga nur so halbherzig betrieben worden ist.

Damals hat die Stadt schon 1,5 Millionen Euro in das Gebäude investiert, doch mehr als eine dünne Sommerausstattung war nicht drin. "Das war ein Kardinalfehler". Anfangs wurde das Gebäude noch für Kulturevents oder Feiern vermietet, doch auch diese Nutzung schlief irgendwann ein. Seither verfällt das Denkmal vor sich hin, ohne eine Hinweistafel, nur der Zaun wurde neu errichtet. "Da ist noch jede Menge schief gelaufen in den letzten zehn Jahren", sagt Grünen-Stadtrat Danner.

Ein neuer Wirt müsste viel Geld mitbringen

Das Kommunalreferat schlägt nun vor, das Denkmal für 1,76 Millionen Euro in zwei Bauabschnitten zu sanieren. Zuerst soll die Rückwand der Tribüne auf einer Länge von 105 Metern stabilisiert werden. Momentan ist für diesen Abschnitt ein Kunstwerk geplant, das einen festen Untergrund benötigt. Der weitere Verlauf der Tribüne soll an der Rückwand durch einen fest installierten Zaun gesichert werden. Bleibt dann noch Geld übrig, soll im Anschluss an die Kassenhalle die Tribüne zu einem kleinen Teil saniert werden. Ob der Stadtrat das Geld dafür frei gibt, erscheint mehr als fraglich.

Im Zentrum steht derzeit die Suche nach einem Wirt. Will die Stadt einen finden, der die frühere Kassenhalle das ganze Jahr über betreibt, wird sie ihm bei Pachthöhe und Mietdauer weit entgegenkommen müssen. Denn ein möglicher Interessent muss viel Geld mitbringen: Das Gebäude ist leer, nicht einmal eine Küche ist eingebaut. Weiter fehlt eine Heizung, Boden und Dämmung an den Oberlichtern müssten erneuert werden. Dafür zahlen soll nicht die Stadt, sondern er selbst.

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