Die Menschen in Sünzhausen sind aufgebracht, das zeigt schon ein kurzer Spaziergang durch das Dorf. „Wahnsinn“, „Natur-Umwelt-Leben – Wir kämpfen dafür“, „Kein Großprojekt in Viehhausen“, „Nein zum Projekt Schönegge in Viehhausen zum Schutz unserer Kinder“. Das sind nur einige der Slogans auf den Transparenten, die überall in der Ortschaft an den Gartenzäunen hängen.
Die Anwohnerinnen und Anwohner protestieren gegen das Vorhaben des Naturgartens Schönegge, der von Meilendorf bei Nandlstadt nach Viehhausen, Gemeinde Kranzberg, auf eine bestehende Hofstelle umsiedeln und sich erweitern möchte. Auf einer Fläche von 18 Hektar sind dort ein Gartenbau- und ein Pensionsbetrieb für Pferde sowie ein Naturkindergarten geplant. Auch Übernachtungsmöglichkeiten soll es geben. Großes Problem aber sind die engen Zufahrten. Nadelöhr ist vor allem die schmale Bergstraße in dem etwa 850 Einwohner zählenden Sünzhausen. Dort hat sich inzwischen eine Bürgerinitiative gegründet, an diesem Montag wird sie etwa 400 Unterschriften an Landrat Helmut Petz übergeben. Auch Betroffene aus Gremertshausen werden dabei sein. Sie sammeln noch bis Sonntag Unterschriften. Von dort führt ebenfalls eine Zufahrt nach Viehhausen und auch sie ist teils nicht breiter als drei Meter.
Bei einem Gespräch mit der SZ im Pfarrheim in Sünzhausen schildern Anwohner aus beiden Orten ihre Bedenken. Ohne Emotionen, das sei ihnen wichtig, sagen sie, aber bestimmt im Ton. Michael Hicker, Initiator der Bürgerinitiative, führt den Staberhof an der Sankt-Georg-Straße in Sünzhausen in siebter Generation. Sein Großvater habe einst bei der Flurbereinigung Grund für die Umgehungsstraße abgetreten. Seine Familie habe den Betrieb nicht jahrelang wieder hergerichtet, dass im Dorf „ein Riesenverkehrsfluss“ herrsche. Vorrangiges Ziel sei es jetzt, die Zufahrt für Schönegge-Kunden und Lieferanten durch Sünzhausen zu verhindern.
In Viehhausen befindet sich neben drei Hofstellen seit Jahrzehnten auch eine Versuchsstation der TU München. Die Belastung halte sich in Grenzen, schildern die Anwohner, weil man aufeinander Rücksicht nehme. Isabella Weber wohnt mit ihrer Familie in der Bergstraße, in der es keinen Gehweg gibt. Bei Gegenverkehr weichen die Fahrzeuge oft auf die gepflasterten Grundstücksausfahrten aus. Weber sorgt sich, wie ihr Sohn einmal zur Bushaltestelle an der Sankt-Georg-Straße kommen soll, wenn der Verkehr weiter zunimmt. Auch dort gibt es keinen richtigen Gehweg, die Kinder warteten auf der Straße auf den Schulbus, schildert sie. Auch diese Straße ist nicht sehr breit.
Es ist aber auch die Größe des geplanten Vorhabens, an der sich die Anwohner stören. Daniel Kraus hat auf der Hofstelle in Viehhausen, die zum Verkauf steht, ein Stallgebäude gemietet. Er habe kein Problem damit, dass er ausziehen muss, versichert er. Aber auch er kritisiert, dass dort ein „gigantisches Projekt hineinstellt“ werden solle. Wenn es nur um einen Gemüseanbau ginge, wäre das „eine tolle Sache“ und der passende Ort, sagt er.
Auch um das beliebte Naherholungsgebiet nahe des Weltwalds sorgen sich viele Menschen in der näheren Umgebung. Thomas, Christine und Ludwig Keller wohnen direkt neben der betreffenden Hofstelle. Aufgrund der Größe des Projekts, des Gewerbes wäre dies ein Eingriff in die Natur, „der unwiederbringlich ist“, kritisiert Thomas Keller. „Wir wollen unsere Ruheoase erhalten“, sagt auch Isabella Weber. Da Sünzhausen schon jetzt immer wieder mit Hochwasser zu kämpfen habe, befürchtet Helga Rattenhuber, dass eine weitere Versiegelung in Viehhausen die Probleme verschärfen könnte.
Die nächste Generation der Familie Schönegge wolle „ein Event“ aus dem Naturgarten machen, kritisiert Franz Wagner aus Giesenbach. Und er verweist darauf, dass auch die Zufahrt aus Gremertshausen zu schmal sei. Die Straße nach Viehhausen zweigt zwar bereits am Ortseingang ab. Dort hätten aber gerade viele junge Familien im Einheimischenmodell gebaut, sagt die Kranzberger Gemeinderätin Silvia Tüllmann, die selbst in Gremertshausen lebt. Immer wieder kommen auch die Reiter zur Sprache. Mit ihnen und ihren Hunden gebe es schon seit Jahren Konfliktpotenzial im Weltwald, schildert Roland Bedon.
Was Nachbar Thomas Keller zudem ärgert: Obwohl unmittelbar betroffen, habe er erst aus der Zeitung von dem Vorhaben erfahren. „Da trifft dich der Schlag, wenn du das liest.“ Die Schönegges verwiesen immer auf die soziale Komponente ihres Vorhabens. „Man muss auch die Menschen mitnehmen, die dort leben“, meint Keller.
Eine Standort-Alternative gibt es nicht
Die Vorwürfe hätten ihn getroffen, sagt Erhard Schönegge, der den Naturgarten in Meilendorf mit seinem Bruder und den Töchtern betreibt. „Wenn ich wüsste, wie es bei uns weitergeht, wäre mir deutlich wohler.“ Die Familie verfügt in Meilendorf über eigene Flächen, der größte Teil aber ist gepachtet und die Verträge werden nicht verlängert. Seit Monaten lote man mit den Behörden aus, wie der Naturgarten weitergeführt werden könne. Das sei ein aufwendiger Prozess mit vielen Beteiligten. Die Kritik, die Anwohner nicht zu informieren, will er so nicht stehen lassen. „Ein ungeborenes Kind kann man nicht in der Öffentlichkeit vorstellen“, sagt er. Sehr zeitnah soll aber eine Informationsveranstaltung stattfinden.
Das Anliegen der Sünzhausener wegen der Zufahrt „ist angekommen“, meint Schönegge. Man suche nach anderen Wegen. Was er schade finde: Mittlerweile machten Argumentationsketten die Runde, die nicht der Wahrheit entsprächen, zum Beispiel, dass ein Hotelbetrieb mit 80 Betten geplant sei.
Der Standort Meilendorf soll nach seinen Worten bestehen bleiben. Mit dem Projekt in Viehhausen wollten sich seine Töchter mit einer sozialen Landwirtschaft mit Gartenbau und Pferdehaltung eine Perspektive aufbauen. Der Naturkindergarten solle in das Geschehen am Hof eingebunden werden. Der Umfang des Projekts sei in Absprache mit den Behörden festgelegt worden. Eine gewisse Mindestgröße sei notwendig, um einen landwirtschaftlichen Betrieb im Außenbereich zu rechtfertigen und die Versorgung der Familien sicherzustellen. Allerdings sei die vorgelegte Planung die Endstufe, man wolle langsam wachsen. Die Pläne sollten eben nicht scheibchenweise vorgestellt werden.
Der Verkehr werde maximal 20 Prozent höher sein als bisher in Meilendorf, versichert Schönegge. Dort seien es in Spitzenzeiten bis zu 40 Fahrzeuge die Stunde. Er würde sich wünschen, dass Leute, die das Projekt kritisieren, in Meilendorf vorbeischauen und sich ein Bild von dem Betrieb machen. Alternativen Standort gäbe es für seine Töchter bisher keinen. Sollte das Projekt scheitern, werde sich für sie die Frage stellen, wie und ob sie überhaupt weitermachen.
Stand der Dinge
Am 11. Juni wurde die Bauvoranfrage der Familien Schönegge, Schwaiger und Sedlmaier im Kranzberger Gemeinderat sehr kontrovers und erstmals öffentlich diskutiert. Viele Anwohner aus Sünzhausen, das zur Stadt Freising gehört, verfolgten die Sitzung. Mit acht zu sieben Stimmen befürwortete das Gremium den Antrag schließlich. Nun sind das Landratsamt und die Fachbehörden am Zug. Die Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe bei Baumaßnahmen im Außenbereich könnte eine Genehmigung erleichtern. Allerdings wird im Verfahren wohl auch die Zufahrtsituation bewertet. Schwachpunkte sind nach Einschätzung der Bürgerinitiative auch Brandschutz, Kanal, Wasserleitung und die Flächenversiegelung. Auch das dürfte geprüft werden.