Interieur:Das Wunder des Herrn Wanders

Marcel wanders

Marcel Wanders im Restaurant Ludwig Zwei, das er im Nationaltheater eingerichtet hat, und in dem sich nun die Operngäste tummeln.

(Foto: Wilfried Hösl)

Wie ein niederländischer Designer die Bayerische Staatsoper auf den Kopf stellt.

Von Susanne Hermanski, München

Die Bühnenbilder der Oper wechseln von Abend zu Abend. Mal strampelt sich die Senta des Fliegenden Holländers auf einem Spinning-Rad im Fitnessstudio ab, dann wandelt Macbeth über ein Meer aus Kunststoff-Totenköpfen, und tags drauf kämpft sich an selber Stelle der Freischütz durch eine eichenvertäfelte Konzernzentrale. Immer gleich bleibt dagegen die Bühne, auf der sich der Opernbesucher selbst bewegt. Na ja, jedenfalls blieb sie es sehr lange. Denn jetzt ließ die Bayerische Staatsoper nach einer gefühlten Ewigkeit ihren Restaurantbereich neu gestalten - und das ist für manch einen Freund des Nationaltheaters in diesen Tagen ein größerer Aufreger als die Festspielinszenierung, wegen der er eigentlich gekommen war.

Das sogenannte Erdgeschoss, das sich wegen seiner Fensterlosigkeit immer wie ein Untergeschoss angefühlt hat, erstrahlt in neuem Glanz und neuen Farben. Blutroter Samt, vereinzelt rabenschwarze Barocksessel, hellgraue Lederstühle, messingverkleidete Säulen, spiegelnde Wände, an denen Neonleisten leuchtende Akzente in die Boudoir-Atmosphäre zeichnen. Und da wo früher in der Mitte des Raumes ein riesiges Tresen-Karree jede noch so aufwändig gewandete Dame an den Rand zur Nebenfigur drängte, ist jetzt: Platz!

Verantwortlich für derlei Wandel ist der Niederländer Marcel Wanders. Neobarock, immer mit einem Augenzwinkern versehen, blumig, fantasievoll und immer gut für einen handfesten Streit beim Tischgespräch, das sind alle Entwürfe des Innenarchitekten und Designers. Als etwa 2010 im braven Bonn am Rheinufer ein komplett von ihm ausgestattetes Hotel eröffnet wurde, veranstaltete man eigens einen Tag der offenen Tür, um den Bonnern ausreichend Möglichkeit zu geben, sich über dessen übergroße Blütenornamente und geradezu grotesk überzeichneten goldenen Amphoren und glockenförmigen Leuchtobjekte zu echauffieren. Eine bessere Mundpropaganda konnte es nicht geben.

Glühbirnen wie an Garderobenspiegeln

In München ist das alles sehr viel harmloser ausgefallen. Da wirkt der sonst gegen Coolness und Reduktion so Widerspenstige doch etwas gezähmt. "Der Raum hier ist nicht einfach", sagt Wanders. Und wer die Hallen mit den niedrigen Decken kennt, der muss ihm recht geben. Denn das ganze architektonische Konstrukt zerfällt in drei Bereiche, ist zugänglich von zwei Treppen, die aus dem Foyer herunterführen und einem weiteren Zugang, der von der Tiefgarage aus ins Haus führt. "Aber ich habe daraus gemacht, was mir sinnvoll erschien", sagt Wanders, "nichts zu Kompliziertes, etwas, das die Besucher sich selbst leicht erklären können."

Marcel Wanders, der schon seit 1996 zu den Stars der Interior-Szene gehört, hat all diese Zonen nun wohnlich gemacht, und stellenweise erst überhaupt für das Publikum entdeckt. Der rote Samt an Fauteuils und Wänden zitiert den gewaltigen Vorhang und ermöglicht so manchen kleineren Auftritt. In einem Bereich hat Wanders einen außergewöhnlichen, kleinteiligen weiß-grauen Marmorboden aus den Sechzigerjahren unterm Teppichboden wiedergefunden und ihn elegant in Szene gesetzt. Und die Reihen von Glühbirnen an der Decke, die sehen doch genauso aus, wie man sie von den Garderobenspiegeln der Künstler... "Richtig, und sehen Sie, das erkannt zu haben, freut Sie doch", sagt Wanders und grinst ein bisschen frech.

Interieur: Alter Boden, neues Design: Bis Marcel Wanders kam, war der Marmor unter einem reichlich abgewirtschafteten Teppichboden verschwunden. Der niederländische Designer hat nach dem gemaserten Stein sein Farbkonzept für den Bereich des Restaurants ausgerichtet.

Alter Boden, neues Design: Bis Marcel Wanders kam, war der Marmor unter einem reichlich abgewirtschafteten Teppichboden verschwunden. Der niederländische Designer hat nach dem gemaserten Stein sein Farbkonzept für den Bereich des Restaurants ausgerichtet.

(Foto: Stephan Rumpf)

1996 erfand er den "Knotted Chair", einen Stuhl, der wie ein Macramé-Netz geknüpft, mit Kunstharz getränkt und dann zum Trocknen aufgehängt wird. Er sieht so fragil, transparent und leicht wie eine Hängematte aus, hat aber die Stabilität eines massiven Sitzmöbels und einen ebensolchen Platz im Kanon der Designklassiker. "Es ist ein Stuhl, der dir sagt, dass er nur für dich gemacht ist, mit sehr viel Liebe und Sorgfalt, ein Stuhl, der einen individuellen und persönlichen Charakter hat", beschreibt Wanders das prägnante Stück.

Einprägsam ist auch der Name, den die Oper dem Restaurant gegeben hat, das erst durch Wanders Händchen überhaupt zur echten Einheit wurde: "Ludwig Zwei". Der Name soll aber nicht nur an König Ludwig II. erinnern - sondern auch an Ludwig Schnorr von Carolsfeld. Er war der erste Tristan der Operngeschichte, der die Uraufführung von Wagners "Tristan und Isolde" 1865 in München bestritten hat. In diesem Jahr ist die Premiere der Neuinszenierung, mit Jonas Kaufmann in der Titelrolle, gerade wieder glanzvoller Höhepunkt der Festspiele gewesen.

Es wäre übrigens auch einem Marcel Wanders nicht würdig, wenn er nicht doch noch die eine oder andere Doppelbödigkeit in seiner Innenarchitektur für Münchens Opernhaus untergebracht hätte. Er, der selbst ein flammender Verehrer der Opern Puccinis ist, hat drei Komponisten in drei Kabinettchen, buchbar als Séparées, kleine Denkmäler gesetzt: Wolfgang Amadeus Mozart, der auf eine Anstellung als Generalmusikdirektor in München gehofft hatte, aber an der Borniertheit (oder dem Geknausere) der Bayern letztlich scheiterte, Richard Strauss, dessen Vater schon Hornist am Münchner Hoforchester war (und die Frau Mama Tochter aus der Bierbrauer-Dynastie Pschorr), und Richard Wagner, den König Ludwig so sehr verehrte, dass er ihm nicht nur die Tristan-Uraufführung ermöglichte.

Interieur: Das winzige Wagner-Kabinett im neuen, von Dallmayr gecaterten Restaurant "Ludwig Zwei" im Nationaltheater.

Das winzige Wagner-Kabinett im neuen, von Dallmayr gecaterten Restaurant "Ludwig Zwei" im Nationaltheater.

(Foto: Stephan Rumpf)

An den Wänden der Séparées, in denen man in der Pause speisen kann, hängt jeweils ein Bild, das eine Szene aus deren beliebtesten Opern zeigt (im Moment sind es noch Fotografien von Gemälden, bald aber werden die Bühnenmaler der Oper mit ihren Repliken fertig sein). Im Wagner-Zimmerchen ist da etwa der Liebestod von Tristan und seiner holden Isolde zu sehen. Und vis-à-vis gibt es jeweils einen Leuchtkasten mit einem Konterfei der Tondichter. Bei denen lohnt es sich, etwas länger hinzusehen. Denn die Herren, die halten nicht stille.

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