Süddeutsche Zeitung

75 Jahre Kriegsende:Der Nazi-Bürgermeister von München

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Als glühender Antisemit setzte Karl Fiehler alles daran, dass München eine Vorreiterrolle bei der Judenverfolgung einnimmt. Nach dem Krieg wollte er von den Naziverbrechen nichts gewusst haben - und versuchte, die Pension eines OB einzuklagen.

Von Wolfgang Görl

Schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg bewegte sich Karl Fiehler, geboren 1895 in Braunschweig, in rechtsextremistischen Kreisen. Als Mitglied des "Stoßtrupps Hitler" nahm er im November 1923 an Hitlers gescheitertem Putschversuch teil. Seine Haftstrafe saß er ebenso wie sein "Führer" in Landsberg ab. Über eine Tarnliste der zeitweise verbotenen NSDAP gelangte der Verwaltungsassistent Fiehler bereits 1924 in den Münchner Stadtrat, wo er schon bald zum Vorsitzenden der nationalsozialistischen Fraktion avancierte und mit volksverhetzenden Reden auffiel. Als "Alter Kämpfer" der NS-Bewegung machte er auch in der Partei rasch Karriere.

Als die Nationsozialisten an die Macht gelangt waren und im März 1933 den gewählten Oberbürgermeister Karl Scharnagl zum Rücktritt zwangen, wurde Fiehler zunächst zum kommissarischen Ersten Bürgermeister und im Mai zum Oberbürgermeister ernannt.

Fiehler war ein glühender Antisemit und setzte alles daran, München eine Vorreiterrolle bei der Verfolgung von Juden, aber auch von politischen Gegnern und anderen missliebigen Gruppen zu verschaffen. Noch 1933 veranlasste er, Juden und Sozialisten bei der Vergabe städtischer Aufträge auszuschließen. Ferner ordnete er an, jüdische Ärzte dürfen nur noch jüdische Patienten behandeln. Im August 1933 verbot die Stadt "Personen nicht arischer Abstammung" den Besuch von öffentlichen Schwimmbädern, was aus rechtlichen Gründen vorübergehend zurückgenommen werden musste.

Und natürlich glaubte Fiehler bis zuletzt an den "Endsieg". Noch im Februar 1945 schrieb er einem besorgten Münchner: "Sie können überzeugt sein, daß München nach dem Siege unter Wahrung der historischen Gegebenheiten und Eigentümlichkeiten nach den großen Plänen des Führers wieder aufgebaut werden wird."

Vor der Hauptspruchkammer München verteidigte sich Fiehler nach dem Krieg unter anderem mit der Behauptung, er habe nichts von den nationalsozialistischen Verbrechen gewusst. Die Kammer verurteilte ihn zu zwei Jahren Arbeitslager, die wegen der Internierungshaft als abgegolten betrachtet wurden. Sein Versuch, Pensionsansprüche eines Oberbürgermeisters gerichtlich durchzusetzen, scheiterte. Bis zum Tod im Dezember 1969 lebte Fiehler in Dießen am Ammersee.

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SZ vom 04.05.2020
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