Nationalistische Gruppen beim Volkstrauertag:Gäste vom rechten Rand

Nationalistische Gruppen haben seit Jahren aktiv an der Gedenkfeier zum Volkstrauertag in München teilgenommen. Lange gaben sich die Politiker ahnungslos. Erst jetzt - nach Bekanntwerden der neonazistischen Mordserie - zeigen sie sich peinlich berührt.

Bernd Kastner

Der Innenminister fand klare Worte: "Verfassungsfeinde haben hier nichts zu suchen." So reagierte Joachim Herrmann (CSU) auf die Teilnahme von weit rechts stehenden Gruppen an der Feier zum Volkstrauertag. Die Burschenschaft Danubia war im Hofgarten ebenso angetreten wie die "Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger".

Bruck: Volkstrauertag - Gedenkfeier vor Leonhardi-Kirche

An der Gedenkfeiertag am Volkstrauertag haben nicht nur Bundeswehrsoldaten und Polizisten teil genommen. Offenbar gehörten zu den Gästen auch nationalistische Gruppen.

(Foto: Johannes Simon)

Der Minister selbst war Hauptredner am 13. November und scheinbar ahnungslos, wer da so alles in diversen Uniformen neben ihm stand. Dabei hätte er gewarnt sein können.

Ausrichter der Feier ist der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Freistaat und Stadt kooperieren abwechselnd. Es waren die Nazi-Gegner von Aida, dem antifaschistischen Informationsarchiv, die auf die Gäste vom rechten Rand hingewiesen hatten. Ausgerechnet jener Verein schlug Alarm, der von Herrmann seit Jahren als Verfassungsfeind bekämpft wird.

Doch in diesem Fall muss der Minister Aida recht geben: Es sei "unzumutbar und völlig inakzeptabel", wenn bei der Feier "Leute anwesend sind, die nicht zweifelsfrei auf dem Boden der Demokratie stehen".

Das Ritterkreuz hatte Hitler für Tapferkeit verliehen, an Angehörige von Wehrmacht und Waffen-SS. Im Hofgarten legten die Veteranen einen Kranz nieder mit einer Schleife in Schwarz-Weiß-Rot, den von den Nationalsozialisten missbrauchten Kaiserfarben. Die Danubia stand über mehrere Jahre im Verfassungsschutzbericht des Innenministers, nun traten Danuben im Beisein des Ministers in voller Montur an. Die Burschenschaft Cimbria hatte die Hofgarten-Feier auf ihrer Internetseite angekündigt als "Heldengedenken" - eine Diktion der Nationalsozialisten.

"Bedauerlich" sei es, so Herrmann, dass "keiner" die Präsenz von "Gruppen mit politisch fragwürdigem Hintergrund erkannt" habe. Dabei ist es nichts Neues, dass jeden November genau diese kommen, teils auf Einladung. Neu ist nur der zeitliche Kontext: Zwei Tage nach Bekanntwerden der neonazistischen Mordserie gedachte der Innenminister, in Vertretung des Ministerpräsidenten, vor der Staatskanzlei Seit' an Seit' mit Rechtsaußen der Kriegstoten.

Säbelrasseln eingestellt - aber sonst?

Siegfried Benker, grüner Fraktionschef im Rathaus, nennt den bisherigen Umgang mit dem Volkstrauertag "ein Musterbeispiel dafür, wie die offizielle Politik solche Themen über Jahrzehnte heruntergespielt hat und jetzt empört und überrascht darauf reagiert, dass es rechtsextreme Strukturen gibt". 1996 schon hatte er gefordert, den Charakter der Feier zu verändern.

Bruck: Volkstrauertag - Gedenkfeier vor Leonhardi-Kirche

Zu den Gedenkfeiern am Volkstrauertag kommen neben gemeinnützigen Vereinen wie dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge auch immer wieder nationalistische Gruppen.

(Foto: Johannes Simon)

Als sein Stadtratsantrag nach einem Jahr noch immer nicht bearbeitet war, legte Benker einen zweiten nach: Der erste möge endlich behandelt werden, außerdem solle das Kriegerdenkmal im Hofgarten so ergänzt werden, dass stärker der Nazi-Opfer gedacht wird. Wieder ließ sich das Rathaus sehr viel Zeit, diesmal fünfeinhalb Jahre. Erst 2003 präsentierte das Direktorium dem Stadtrat eine Beschlussvorlage: Denkmäler könnten "nicht im Sinne einer Wandzeitung laufend aktualisiert werden". Zusätze in der Inschrift wären "problematisch", "unangemessen und unhistorisch". Es blieb alles beim Alten. Auf die geforderte Veränderung der Feierlichkeit ging man nicht ein.

Das habe man im Ältestenrat besprochen, betont Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) und weist jeden Verdacht der Untätigkeit von sich. Tatsächlich hatte er schon in den neunziger Jahren den "unerfreulichen Charakter" der Feier kritisiert, weil ein "soldatisches Heldengedenken" in den Vordergrund gerückt sei: "Säbelrasseln in Uniformen des 19. Jahrhunderts" halte er für unangemessen, formulierte er 1998. Daraufhin stellte der Volksbund dieses "Rasseln" ein.

Großes Interesse seiner Regierungsfraktionen SPD und Grünen, sagt Ude, habe er später aber nicht mehr festgestellt: "Es hat die nie interessiert, weil die nie da waren im Hofgarten" - im Gegensatz zu ihm, des Protokolls wegen. Tatsächlich räumt Grünen-Chef Benker ein, das Problem selbst aus den Augen verloren zu haben. Als 2003 der Ältestenrat die Causa Volkstrauertag diskutierte, nannte die damalige Bürgermeisterin Gertraud Burkert (SPD) die Anwesenheit von Burschenschaften peinlich. Das Gremium war sich einig, dass man das Gedenken an die Opfer der Kriege nicht einer rechtsradikalen Szene überlassen dürfe.

Was aber hat sich geändert? Recht wenig, kritisiert Benker. Die Feier im Herkulessaal, vor der Kranzniederlegung, habe ihren "reaktionären Charakter" zwar "teilweise verloren", sagt er; im Hofgarten aber, bei der anschließenden Kranzniederlegung, sei alles weitgehend beim Alten geblieben. OB Ude räumt ein, zwar auf den Einladungstext des Volksbundes, nie aber auf dessen Einladungsliste Einfluss genommen zu haben.

Und so ist Volksbund-Geschäftsführer Gerd Krause sehr überrascht über den aktuellen Ärger: "Seit vielen Jahren" legten die Ritterkreuzträger Kränze nieder, das sei fast schon Gewohnheitsrecht. Bislang habe niemand Anstoß daran genommen. Und die Danubia sei auch seit zwei, drei Jahren wieder dabei. Krause selber habe "keinerlei Hinweise auf einen rechtsextremen Hintergrund" der kritisierten Gruppen. Selbstverständlich distanziere sich der Volksbund von Extremisten, bedauere die Misstöne und verspricht, kommendes Jahr die Gästeliste mit der Staatsregierung abzusprechen.

So könnte Benkers Forderung nach einer modifizierten Feier doch noch umgesetzt werden - 16 Jahre nach dem ersten Antrag. Dazu bedurfte es des Schocks angesichts der neonazistischen Mordserie - und der Aufklärung des Innenministers durch die angeblichen Verfassungsfeinde von Aida.

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