Nahverkehr:So einfach könnten MVV-Tarife in Zukunft aussehen

Nahverkehr: Viel zu kompliziert ist das Tarifsystem, das Passagiere oft gar nicht verstehen - in nur wenigen Monaten soll es ein neues Konzept geben.

Viel zu kompliziert ist das Tarifsystem, das Passagiere oft gar nicht verstehen - in nur wenigen Monaten soll es ein neues Konzept geben.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die MVV prüft den sogenannten "Entfernungstarif" als Pilotprojekt für eine neue Preisgestaltung der Tickets.
  • Dabei sollen Fahrgäste einfach an einer Sperre vorbeigehen, anstatt das Ticket entwerten zu müssen.
  • Zur Diskussion steht außerdem ein Ticket für Jugendliche, mit dem diese nur einen Euro pro Tag für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zahlen müssen.

Von Dominik Hutter

Gut möglich, dass in einigen Jahren eine kleine Karte in der Hosentasche ausreicht, um den MVV zu benutzen. Das Ein- und Aussteigen wird automatisch registriert, die zurückgelegte Entfernung und die Häufigkeit der Fahrten bestimmt den Preis. "Entfernungstarif" nennt sich das Pilotprojekt, das der MVV mittelfristig prüfen will. Anders als bei der berühmten Oyster Card in London soll der Fahrgast nicht manuell ein- und auschecken müssen, sondern einfach nur an einer Sperre vorbeigehen.

Beschlossen ist noch nichts, das Modell gilt zwar als angenehm unkompliziert, hat aber auch Nachteile. So müssen Fahrzeuge und Stationen für etwa 100 Millionen Euro technisch aufgemotzt werden, zudem wäre der monatliche Beitrag für den MVV anders als bei den heutigen Zeitkarten schwankend und daher schwer vorherzusagen.

Öffentliche Verkehrsmittel benutzen - für einen Euro am Tag

Der Wirtschaftsausschuss des Stadtrats akzeptierte am Dienstag das Pilotprojekt, das den MVV einem hehren Ziel näherbringen soll: Das modernste Tarif- und Vertriebssystem Europas zu haben. Das sogenannte "Be-In-Be-Out-Verfahren" ist allerdings erst der zweite Schritt bei der anstehenden Tarifreform des MVV, er wird "mittelfristig" anvisiert.

Am Anfang soll erst einmal eine Evolution statt einer Revolution stehen: eine Verbesserung des bestehenden Systems mit seinen Ringen, Zonen, Streifen- und Einzelfahrkarten. Schon in wenigen Monaten will der MVV dem Stadtrat ein Konzept präsentieren, wie in einem ersten Schritt die Schwachstellen der allseits als viel zu kompliziert eingestuften Tarifstruktur beseitigt werden können: die Preissprünge an den Zonengrenzen sowie die wenig attraktiven Spezialangebote für Senioren, Jugendliche und sozial Schwache.

Auf Initiative der CSU soll eine stark verbilligte Jugendkarte für einen Euro pro Tag mitgeprüft werden - die 365-Euro-Jahreskarte stammt eigentlich aus dem Forderungskatalog der Grünen, die ein solches Modell allerdings am liebsten für sämtliche Fahrgäste anbieten würden.

"Irgendjemand muss zahlen"

Das Herumdoktern am bestehenden System, das wurde im Stadtrat deutlich, ähnelt der Quadratur des Kreises. Es sei wie beim seit Jahrzehnten kritisierten Steuersystem, so Oberbürgermeister Dieter Reiter. "Entweder einfach oder gerecht". Das Tarifsystem des MVV sei allein schon deshalb so kompliziert, weil "immer wieder neue Subventionen für bestimmte Gruppen gefordert werden": Senioren, Jugendliche, Leute, die wenige Meter jenseits einer Zonengrenze wohnen. "Wenn wir irgendetwas billiger machen, muss das aber halt irgendjemand zahlen."

Reiter erinnert daran, dass die MVG derzeit ihren Betrieb ohne Zuschüsse finanzieren kann und dazu unbedingt auch künftig in der Lage sein muss. Denn nur wenn Busse und Bahnen kostendeckend fahren, bleibt das kommunale Verkehrsunternehmen vor Ausschreibungen geschützt. Allzu großzügig dürfen neue Rabatte also nicht ausfallen. Auch CSU-Fraktionsvize Manuel Pretzl mahnte zum Maßhalten. Müsse die MVG plötzlich ausschreiben, breche das gesamte System zusammen.

Im Stadtrat gibt es dennoch große Sympathie für eine radikalere Vereinfachung des Tarifsystems. "Ich weiß, dass eine Revolution schwierig ist", erklärte FDP-Stadträtin Gabriele Neff. "Aber man muss anfangen umzudenken." Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher bekundete erneut Sympathie fürs 365-Euro-Ticket für alle. Dieses aus Wien entlehnte Modell, bei dem eine Art Flatrate für den gesamten Verbundraum eingeführt wird, ist allerdings bei den bisherigen Untersuchungen von Verkehrsexperten bereits durchgefallen.

Den Wiener Linien entstünde mit dieser Ticketvariante pro Jahr ein Defizit in dreistelliger Millionenhöhe, berichtete ein vom MVV beauftragter Verkehrsberater in der Stadtratssitzung. Tendenz steigend, da die Löhne der Fahrer anwachsen. In München habe man daher mit einem Jahrespreis von 500 bis 600 Euro gerechnet, und sei auf ein Defizit von 90 Millionen Euro gekommen. "Dieses Geld fehlt an anderer Stelle."

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