Wer zuerst kommt, fährt zuerst. Das ist das neue Prinzip bei der Münchner S-Bahn. Von kommenden Montag an testet die S-Bahn München auf der Stammstrecke zwischen Pasing und Ostbahnhof, ob mit dem Prinzip "First come, first served" die Züge künftig pünktlicher unterwegs sind. Das Kuriose dabei: Fahrgäste müssen sich darauf einstellen, dass die Bahnen bis zu zwei Minuten früher als fahrplanmäßig abfahren.
Die Idee hinter dem Pilotprojekt ist einfach. Weil die S-Bahnen bislang die Taktreihenfolge einhalten sollen, müssen sie manchmal warten, bis ein verspäteter Zug eines anderen Außenasts in die Bahnhöfe Pasing, Laim, Donnersbergerbrücke oder Ostbahnhof einfährt. S-Bahn-Chef Heiko Büttner formuliert die Sache positiv: "Der Zug, der zuerst da und abfahrbereit ist, hat Vorrang." Wenn eine S-Bahn auf einem Außenast zügig unterwegs in Richtung München ist, darf sie in der fünftägigen Pilotphase auch früher als andere Züge von Pasing oder dem Ostbahnhof weiter auf die Stammstrecke rollen. "Wir versprechen uns von dem Test wertvolle Erkenntnisse", sagt Büttner. "Denn mit jeder Sekunde, die wir auf der Stammstrecke pünktlicher werden, stabilisieren wir das Gesamtsystem der S-Bahn." Ziel des Versuchs sei es, dass die Stammstrecke gleichmäßiger befahren wird und sich Verspätungen insgesamt verringern.
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Alle streiten darüber, wer künftig weniger bezahlen darf. Der Freistaat unterstützt das neue Ticketsystem nun mit 35 Millionen Euro - wie, ist aber offen. Klar ist nur, dass es länger dauern wird, als geplant.
Dieser Ansatz ist laut Büttner "bisher einmalig. Das gibt es nirgends im Eisenbahnverkehr in Europa." Auf der Stammstrecke können die S-Bahnen nun vom Fahrplan um maximal zwei Minuten abweichen und damit auch die Reihenfolge der einfahrenden S-Bahnen verändern. Deshalb kann es während der Probephase vorkommen, dass Züge überpünktlich abfahren. Das gilt im Testlauf von kommenden Montag bis Freitag zwischen 6 und 9.30 Uhr. Der S-Bahn-Chef ist zuversichtlich, dass die Fahrgäste die Umstellung akzeptieren werden. Denn weniger als zehn Prozent der Fahrgäste steigen laut Büttner in den Hauptverkehrszeiten auf der Stammstrecke in einen Zug und fahren über die Stammstrecke hinaus. Während der Testphase soll es Hinweise auf den Anzeigentafeln geben, Mitarbeiter informieren die Reisenden an den Haltestellen. Falls der Ärger der Fahrgäste doch zu groß sein sollte, "sind wir in der Lage, den Test abzubrechen", so Büttner.
Die Pünktlichkeitsoffensive bei der S-Bahn München ist dringend nötig. Denn das Münchner System schneidet bei der Pünktlichkeit bundesweit schlecht ab. Nur 94,8 Prozent der Züge kamen im ersten Halbjahr 2018 pünktlich oder mit einer Verspätung von maximal fünf Minuten an. Im vergangenen Jahr waren es noch 95,3 Prozent. Zum Vergleich: Die S-Bahnen in Rostock waren im ersten Halbjahr zu 99,2 Prozent pünktlich, in Hamburg zu 98,0 Prozent, in Stuttgart zu 96,9 Prozent und in Nürnberg zu 96,7 Prozent. Das Bundesverkehrsministerium hat die Zahlen auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen ermittelt.
Aus dem Bericht geht auch hervor, welche S-Bahnlinien in München besonders von Verspätungen betroffen sind. Sieht man einmal von der S 20 zwischen Pasing und Höllriegelskreuth ab, die meist nur wochentags in den Hauptverkehrszeiten unterwegs ist und bei der durchschnittlich jeder zehnte Zug viel zu spät kommt (Pünktlichkeit von 90,5 im ersten Halbjahr 2018, im Jahr 2017 sogar nur 88,5 Prozent), ist die S 1 die größte Bummelbahn. Die Pünktlichkeit liegt im Durchschnitt bei 93,9 Prozent, während der Hauptverkehrszeit nur bei 92,3 Prozent. Die zuverlässigste Linie ist die S 3. Nur vier von 100 Zügen kommen auf der Strecke zu spät.