Nahverkehr in München:Stillstand beim Ausbau des U-Bahn-Netzes

München: Verkehrs-Chaos / Pendler-Problem / Berufsverkehr / MVV

Passanten am U-Bahnhof Marienplatz.

(Foto: Johannes Simon)
  • Münchens U-Bahn-Netz Verbindungen im Untergrund sind schnell und entlasten den Verkehr an der Oberfläche.
  • Doch München wächst rasant - und die Bahnen können den Verkehr auf den bisherigen Linien kaum noch bewältigen.
  • Mit dem Ausbau geht es nur noch langsam voran, weil es unterschiedliche Vorstellungen im Rathaus gibt und die Wirtschaftlichkeit einzelner Projekte angezweifelt wird.

Von Dominik Hutter

Ob es die U 9 diesmal schafft? Vor 30 Jahren gab es in München schon einmal ein U-Bahn-Projekt dieses Namens. Die Strecke zwischen Max-Weber-Platz und Arabellapark wurde dann aber als U 4 in Betrieb genommen. Jetzt steht die Zahl 9 für die aktuell größte und mit Abstand teuerste U-Bahn-Planung der Stadt. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat angekündigt, noch heuer eine Grundsatzentscheidung für den neuen Tunnel zwischen Implerstraße, Hauptbahnhof und Münchner Freiheit zu treffen.

Ob es tatsächlich so kommt, ist offen. Denn der Bündnispartner CSU ist skeptisch, ob sich das Milliardenprojekt überhaupt stemmen lässt - im Münchner Untergrund kreuzen sich bereits so viele Röhren, dass es kompliziert und daher kostspielig ist, noch weitere durch das Gewirr zu fädeln. CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl hält es für möglich, dass die Stadt letztlich bei Baukosten von bis zu drei Milliarden Euro landet.

Für die Konservativen hat daher ein anderes Projekt Priorität: die Verlängerung der U 5 nach Freiham. Von deren Sinnhaftigkeit ist wiederum die SPD noch nicht so ganz überzeugt. Schließlich verfügt das neue Stadtviertel bereits über einen S-Bahn-Anschluss. SPD-Verkehrssprecher Ingo Mittermaier will erst belastbare Fahrgastprognosen abwarten - gut möglich, dass auch eine Trambahn reicht.

Das ist die Crux bei den großen Verkehrsprojekten: SPD und CSU, deren Bündnis im Rathaus den Ton angibt, haben sehr oft unterschiedliche Prioritäten. Bei der SPD steht ganz klar die U 9 im Vordergrund, die Trasse, die die bestehenden Innenstadtstrecken vor dem Kollaps bewahren soll. "Die Planung ist noch nicht sehr weit", räumt Mittermaier ein. "Aber diese Strecke wird auf alle Fälle notwendig werden".

Über die Finanzierung wird derzeit noch nicht gesprochen. Sie dürfte jedoch alles andere als einfach werden. Beim MVV geht man davon aus, dass die U 9 wohl niemals die Kriterien der sogenannten standardisierten Bewertung erfüllen wird. Diese Wirtschaftlichkeitsberechnung, bei der es vor allem um Fahrtzeitgewinne und Umsteiger vom Auto auf den MVV geht, entscheidet darüber, ob staatliche Zuschüsse fließen. Es ist eigentlich kaum vorstellbar, dass die Stadt die U 9 ganz alleine bezahlt.

Die U 5 ist schon lange geplant

Bei der U 5 nach Pasing ist dies hingegen fest vereinbart: Falls keine Zuschüsse fließen (was angesichts der parallel verlaufenden zweiten S-Bahn-Stammstrecke eher wahrscheinlich ist), überweist das Rathaus die komplette Summe aus eigener Kasse an die Baufirmen. Die U 5-Verlängerung ist bereits vom Stadtrat beschlossen, sie gilt als unstrittig und wird wohl in einigen Jahren gebaut werden.

Die Idee ist allerdings auch nicht gerade frisch: Die U 5 nach Pasing ist Bestandteil des sogenannten dritten Mittelfristprogramms für den U-Bahn-Ausbau und befindet sich damit in Gesellschaft von Projekten wie der U 2-Verlängerung in die Messestadt. Mit dem Unterschied, dass diese Strecke bereits 1999 in Betrieb ging.

Die Planung für U-Bahn-Linien ist kompliziert

Die SPD will in den kommenden Jahren neben der U 9 vor allem die U 5 nach Pasing und die U 4 nach Englschalking und darüber hinaus vorantreiben. "Man sollte sich auf zwei oder drei wesentliche Projekte konzentrieren", findet Mittermaier. Damit man sich nicht verzettelt. Die U 4, die ebenfalls vor vielen Jahren ins dritte Mittelfristprogramm geschrieben wurde, ist weitgehend unstrittig, da nur eine U-Bahn-Verbindung den Bau eines neuen großen Stadtquartieres im Münchner Nordosten ermöglicht. Auch die weit fortgeschrittene Planung für die Verlängerung der U 6 nach Martinsried ist weitgehend abgefrühstückt. Der Anschluss des Biotechnologiezentrums gilt als sinnvoll und machbar.

Richtig zügig aber geht es nie voran bei U-Bahn-Projekten, dazu ist die Planung zu kompliziert. Der frühere "Drive", mit dem in München seit den späten Sechzigerjahren eine U-Bahn-Röhre nach der anderen gebuddelt wurde, ist längst erlahmt. Die letzte U-Bahn-Eröffnung fand 2010 statt, seitdem rollt die U 3 nach Moosach. Dass seitdem fast gar nichts vorangegangen ist, wurmt auch Mittermaier.

Kommt der Nordring für die Bahn?

Die CSU kritisiert die U-Bahn-Trödelei schon seit langem. Dass sich die Partner so oft uneins sind, könnte den Metro-Ausbau allerdings noch weiter verzögern. Denn die CSU hat zwar bislang keine Priorisierung der zahlreichen Ideen vorgenommen. Nach Auskunft Pretzls hat in seiner Fraktion aber eher die U 26 als die U 9 die Nase vorn.

Diese Spange im Münchner Norden, die auf Höhe Freimann/Harthof die Äste von U 2 und U 6 verbinden soll, ist auch in den Augen von Grünen-Fraktionschef Florian Roth sinnvoll. "Wir brauchen mehr Ring- und Tangentialverbindungen", lautet das Credo Roths beim MVV-Ausbau. Die Strecke hat allerdings einen gehörigen Nachteil: Sie wurde bereits auf ihre Wirtschaftlichkeit untersucht - und hat dabei so grottenschlecht abgeschnitten, dass sich im Grunde jede Diskussion erübrigen müsste.

München: Verkehrs-Chaos / Pendler-Problem / Berufsverkehr / MVV

Der Marienplatz ist einer von hundert U-Bahnhöfen in München. Die unterirdischen Verbindungen gelten als Rückgrat des öffentlichen Personennahverkehrs.

(Foto: Johannes Simon)

Bei der SPD gibt man sich deshalb abwartend: Die weitere Untersuchung steht zwar im Bündnispapier, das CSU und SPD nach der Wahl 2014 ausgehandelt haben. Dass die Planung bald nennenswerte Fortschritte macht, ist jedoch nicht zu erwarten. Eine Neubewertung der Strecke könnte aber durchaus neue Erkenntnisse liefern: Als die Berechnungen gemacht wurden, war noch nicht ersichtlich, in welchem Ausmaß München neue Einwohner gewinnt.

Allerdings hat in den vergangenen Monaten ein Konkurrenzprojekt zur U 26 einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht: der S-Bahn-taugliche Ausbau des DB-Nordrings. Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) will sich demnächst das Plazet des Kabinetts abholen, einen Münchner S-Bahn-Ring genauer zu untersuchen. Die Idee, Nord- und Südring für die S-Bahn auszubauen, hat im Münchner Rathaus viele Fürsprecher. BMW, das sein Forschungszentrum im Norden ständig erweitert, drängt seit langem auf eine bessere Anbindung seines Standorts.

Die Sympathien für die dezentrale S-Bahn-Tour fußen bislang allerdings nur auf Vermutungen. Ob die Trasse wirklich S-Bahn-würdig ist, ist mangels entsprechender Expertisen völlig offen. Es gibt nicht einmal eine überschlägige Fahrgastprognose für einen solchen Kreisverkehr. Auch beim Südring nicht. Denn die Untersuchungen dafür gingen stets von einer Nutzung als zweite Stammstrecke aus.

Der riesige Vorteil: Die Gleise liegen schon

Der Nordring dagegen stand bislang als MVV-Strecke nicht zur Debatte. Was fatale Folgen hat: Denn beim Bau der U-Bahnen im Münchner Norden wurde auf eine eventuelle S-Bahn-Trasse keinerlei Rücksicht genommen. Die Stationen liegen daher weit entfernt. Zwischen dem U 2-Bahnhof Frankfurter Ring und einem erst noch zu bauenden S-Bahnhof am Nordring lägen rund 400 Meter Fußmarsch - für Umsteiger alles andere als ideal.

Dazu kommt: Der Nordring verläuft eher durch Gewerbe- als durch Wohngebiete. Das ist aus Lärmschutzgründen zwar zu begrüßen, für eine Nahverkehrsanbindung aber eher suboptimal. Beim Südring hingegen könnte gerade die dichte Bebauung Probleme bereiten. Vor allem in Untergiesing, wo die Gleise auf einem Viadukt verlaufen, dürfte sich die Freude über zusätzlichen Zugverkehr in Grenzen halten.

Der S-Bahn-Ring hat aber einen Vorteil, der gar nicht groß genug einzuschätzen ist: Die Gleise liegen bereits, es muss kein kostspieliger Tunnel gegraben werden. Allenfalls ein paar Ausbauten könnten fällig werden, und die Stationen fehlen natürlich noch. Pretzl findet das Projekt daher sehr reizvoll, den Anfang könnte wegen der vielen schon vorhandenen Planungen der Südring machen. Auch die SPD hat bereits einen Favoriten für den Einstieg in einen S-Bahn-Kreis: Es ist der Nordring.

Vom 5. April an wird neun Jahre lang an der zweiten Stammstrecke durch München gebaut. Warum dauert es so lang? Und wie verändert sich die Stadt? Lesen Sie dazu:

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