Nahverkehr in München:MVV droht Machtverlust

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Gerangel um Kompetenzen im Nahverkehr: Der Tarifverbund soll reformiert werden, die Unternehmen Bahn und MVG wollen mehr Einfluss.

Dominik Hutter

Kummer ist man längst gewohnt in dem grauen Klotz an der Thierschstraße. Einst liefen in den Büroetagen sämtliche Fäden zusammen, der dort residierende Tarifverbund MVV, in dem unter anderem die Deutsche Bahn, die städtischen Verkehrsbetriebe MVG sowie Stadt und Freistaat vertreten sind , war Bindeglied wie Entscheidungszentrale des Münchner Nahverkehrs.

Die Stadt will nun das Ausscheiden von MVV-Chef Klaus Wergles für eine Strukturdebatte nutzen - der MVV muss wohl einige Kompetenzen abgeben. (Foto: Foto: Schunk)

Inzwischen lädt MVG-Chef Herbert König aber lieber in die eigenen Räume, wenn es Neues zu verkünden gibt - wie den Live-Abfahrtsmonitor fürs Internet oder das verbesserte Erscheinungsbild der Fahrscheinautomaten. Der MVV spielt dabei keine Rolle mehr. Auch die Debatte über Alkoholverbote lief völlig an der Verbundgesellschaft vorbei, an den Plänen für eine neue U-Bahn zwischen Hauptbahnhof und Münchner Freiheit hat der MVV zu keinem Zeitpunkt mitgewirkt, und als das Kombiticket für München und Augsburg zustande kam, war dies dem Verhandlungsgeschick Herbert Königs zu verdanken.

Nun könnte der schleichende Machtverlust einen gewaltigen Schub bekommen. Denn Ende September scheidet Klaus Wergles, einer der beiden MVV-Geschäftsführer, altersbedingt aus. Unter den 74 MVV-Mitarbeitern schwirren längst wilde Gerüchte über die Nachfolge oder, schlimmer noch, Nicht-Nachfolge ihres Chefs. Denn bislang hat die Stadt, die das Vorschlagsrecht hat, nicht durchblicken lassen, wen sie auf den Stuhl an der Seite des im Amt verbleibenden Geschäftsführers Alexander Freitag setzen will.

Oder ob möglicherweise die Gelegenheit genutzt wird, dem MVV weitere Kompetenzen abzunehmen. Und der Verbund am Ende nur als Erfüllungsgehilfe der Verkehrsunternehmen MVG und Deutsche Bahn bestehen bleibt.

Ganz so schlimm wird es nicht kommen, beschwichtigt Oberbürgermeister Christian Ude, der den Vorsitz im höchsten MVV-Gremium, der Gesellschafterversammlung, innehat. Trotzdem: Es könnte einiges geschehen, was den MVV-Mitarbeitern vermutlich nicht besonders schmecken wird. Denn Ude will den Wergles-Posten tatsächlich erst einmal nicht wiederbesetzen, sondern die Gelegenheit nutzen, an den Strukturen der Verbundorganisation herumzufeilen. Nachgedacht werden solle über eine "Verschlankung des MVV", wozu die Größe der Geschäftsführung ebenso gehört wie die Aufgabenverteilung zwischen dem Verbund und seinen Mitgliedern, also den Verkehrsunternehmen. Was im Klartext wohl bedeutet: Der MVV soll Aufgabengebiete an MVG oder die Deutsche Bahn abgeben.

Laut Ude geht es dabei auch um den "Ablauf der Tarifdiskussionen". Dies ist ein sehr wichtiger Punkt, denn die Ausgestaltung der Fahrpreise wie auch die Verteilung der Einnahmen auf die insgesamt mehr als 50Verkehrsunternehmen zählt zu den vornehmsten Aufgaben, die dem MVV bis heute verblieben sind. MVG-Chef König macht schon seit längerem keinen Hehl daraus, dass er gerne mehr Freiheiten bei der Gestaltung der Tarife hätte.

"Gestaltung" bedeutet in diesem Zusammenhang: Welche Tickets werden überhaupt angeboten, was kosten sie - und wie verteilen sich Tariferhöhungen auf die unterschiedlichen Fahrscheintypen? Derzeit läuft das Ganze so ab: Die Verkehrsunternehmen, vor allem die beiden großen, MVG und Bahn, melden ihren zusätzlichen Finanzbedarf an ("plus 3,8 Prozent"). Der MVV tüftelt dann, wie sich das in die Praxis umsetzen lässt. Die abschließende Entscheidung treffen die Gesellschafter, also Stadt, Freistaat und die acht Verbundlandkreise. Letzteres soll Ude zufolge auch so bleiben.

Die Politik wolle sich keineswegs zugunsten der Verkehrsbetriebe aus dem MVV zurückziehen, also einen sogenannten Unternehmerverbund begründen, wie er in einigen Städten existiert. Der MVV solle auch nach einer Reform ein Aufgabenträgerverbund bleiben: unter politischer Führung. Wie es nun weitergeht, ist freilich nicht entschieden. Ude will seine bislang lediglich internen Pläne bei der nächsten Gesellschafterversammlung am 3.Juli den Vertretern des Freistaats und der MVV-Landkreise vorstellen. "Ich will eine Strukturdebatte führen", bekräftigt der OB.

Der MVV ist die formale Regieorganisation des Münchner Nahverkehrs. Er steht vor allem für einheitliche Tarife, egal in welchem Verkehrsmittel, und aufeinander abgestimmte Fahrpläne. Über eigene Busse oder Züge verfügt die Verbundorganisation nicht. Den eigentlichen Verkehr wickeln die Stadtwerke-Tochter MVG (U-Bahn, Bus und Tram), die Deutsche Bahn (S-Bahn) sowie rund 50 kleinere Busunternehmen ab. Sie nennen sich "Partner im MVV".

© SZ vom 25.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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