Süddeutsche Zeitung

Nachtflohmarkt:Urban, hip und wirklich retro

In der Alten Kongresshalle wird mit Bier und Beats einer neuen Szene-Leidenschaft gefrönt, die eigentlich längst aus der Mode war: der Flohmarkt.

Michael Moorstedt

Manchmal geht es erstaunlich schnell, eine vermeintlich aus der Mode gekommene Veranstaltung in ein urbanes Hipster-Paradies umzuwandeln. In diesem Fall braucht es dazu nicht viel mehr als ein adäquates Ambiente und einen coolen Spruch.

Um also am Sonntag Einlass in die alte Kongresshalle zu erhalten heißt die Losung: "One man's garbage is the other man's gold." (zu deutsch: "Des einen Müll ist des anderen Gold"). Drei Euro Eintritt werden für den Nachtflohmarkt allerdings auch noch fällig.

Beats, Bier und Bummeln

Wo gerade noch exzessive Feste der Registratur gefeiert wurden, gibt sich das Publikum nun einem ähnlichen, nämlich dem Kaufrausch hin. Sicher: eine gute Sache. Dank der eingegrenzten Klientel wird man wohl von den größten Fehlkäufen verschont bleiben, dazu werden zielgruppenaffine Beats aufgelegt und Bier ausgeschenkt.

Während der Clubgänger gerade nach Hause gekommen ist, waren früher auf dem Flohmarkt schon die Stände aufgebaut. Und doch haben Disko- und Flohmarktbesuch eine Menge gemeinsam. Der Privatverkauf am Wochenende galt lange als unschick, und auch in der elektronischen Musik ist das Zitat einer vergangenen Epoche als wiederkehrendes Stilmittel akzeptiert.

Nachtflohmarkt 2.0.

Hier wie dort folgt der Mensch den gleichen Mustern: Es ist einerlei, ob man sich jetzt auf der Tanzfläche oder zwischen Marktständen mit fremden Körpern stößt. Und beinhaltet nicht das Feilbieten persönlicher Gegenstände ein ähnlich exhibitionistisches Moment wie die ersten ungelenken Tanzschritte - bevor der nächste Longdrink Beine und Schamgefühl auflockert? In seiner ersten Auflage im Januar war der Nachtflohmarkt jedenfalls schon fast zu erfolgreich. Zwischenzeitlich gab es inmitten der Stände kein Durchkommen mehr.

Das mit der Durchmischung von Kunst und Krempel, Konsum und Kultur ein Nerv zu treffen ist, deutet sich schon seit längerer Zeit an. Im vergangenen Herbst wurde die ehemalige BMW-Niederlassung in der Dachauerstraße zur temporären Galerie mit Underground-Persilschein. Wo früher Limousinen, also das metallgewordene Establishment, an den Mann gebracht wurden, gab es junge Kunst im Clubambiente zu erstehen.

Nachtflohmarkt, Alte Kongresshalle, 14. Februar, von 17 Uhr an

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Quelle:
SZ vom 11.02.2010/hes
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