Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Zum Tod von Gregor Dorfmeister

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Von Sabine Reithmaier

Ein warmer Oktobertag im Jahr 1993. Journalisten wandern auf den Rabenkopf, um in der Staffelalm Franz Marcs eben erst wieder freigelegte Wandbilder zu besichtigen, einen Stierkopf und einen Hirschen. Mit dabei Gregor Dorfmeister. Während des Aufstiegs redeten wir über "Die Brücke", jenen Roman, den er 1958 unter dem Pseudonym Manfred Gregor geschrieben hatte. Das Buch, in dem er den sinnlosen Volkssturm-Einsatz von sieben 16-Jährigen beschreibt, war ein Welterfolg, wurde in 17 Ländern gedruckt und zweimal verfilmt. Bernhard Wickis Version (1959) schrieb Filmgeschichte. Aber darüber sprachen wir nicht - Dorfmeister lag jegliche Eitelkeit fern. Unser Gespräch kreiste um Momente, die ein Leben unwiderruflich prägen.

Wie jene Nacht vom 30. April auf den 1. Mai 1945, als der 16-jährige Dorfmeister mit anderen jungen Soldaten der Wehrmacht an der Loisach Stellung beziehen musste, um auf den Feind zu warten. Als der erste amerikanische Panzer heranrollt, schießen die Buben Panzerfäuste ab. Und treffen. Dorfmeister muss zusehen, wie ein getroffener Amerikaner mit brennendem Rücken versucht zu fliehen. Und es nicht schafft. In dem Moment sei er Pazifist geworden, sagte Dorfmeister, blieb mitten unterm Gehen stehen, schaute in den blauen Oktoberhimmel. 1945 hatte er mit zwei Kameraden die Flucht ergriffen. Ein Gendarm kommandierte sie an die Tölzer Isarbrücke ab, Dorfmeister floh auch von dort - und fand am nächsten Tag die Leichen seiner Freunde.

Nach dem Krieg studierte der 1929 Geborene Philosophie, Theater- und Zeitungswissenschaft, wurde Journalist und bald Redaktionsleiter des Tölzer Kurier, den er mit viel Umsicht bis zu seinem Ruhestand leitete. Er schrieb noch zwei Romane, engagierte sich in der Lebenshilfe für geistig und mehrfach Behinderte. Und wollte auf keinen Fall, dass die Vergangenheit vergessen wird. Am vergangenen Sonntag ist er in Bad Tölz im Alter von 88 Jahren gestorben.

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Quelle:
SZ vom 07.02.2018
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