Nachruf:Männerbünde und Millionen

Erich Riedl scheitert mit Antrag auf Klageerzwingung

Erich Riedl war Wirtschaftsstaatssekretär unter Helmut Kohl. Dem TSV 1860 hielt er immer die Treue.

(Foto: Erwin Elsner/picture-alliance/dpa)

Der CSU-Politiker und Löwen-Präsident Erich Riedl ist gestorben

Von Annette Ramelsberger, Markus Schäflein

Er war ein Mann des alten Westdeutschlands, ein Politiker, wie ihn die Ära Kohl hervorgebracht hat, einer, der im Schatten von Franz Josef Strauß groß geworden war: Der frühere Münchner Bundestagsabgeordnete, zeitweilige Parlamentarische Staatssekretär und - was damals wirklich etwas hermachte - "Luft- und Raumfahrtkoordinator" im Bundeswirtschaftsministerium Erich Riedl ist am Wochenende mit 85 Jahren in München gestorben. Und wer ihn nicht als Lobbyisten kannte, der erinnert sich zumindest an seine Zeit als Präsident von 1860 München.

Doch Riedl war vor allem Strippenzieher: Er kannte jeden in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn, jeden Lobbyisten, jeden Rüstungsvertreter, jeden Manager aus der Luftfahrtbranche. Er saß wie die Spinne im Netz von 1987 bis 1993 im Wirtschaftsministerium und hatte seine Finger in vielen Dingen - von der Lieferung zweier prestigeträchtiger Airbus-Flugzeuge an das Honecker-Regime der DDR bis zum Kauf des umstrittenen "Jäger 90"-Kampfflugzeugs, das zu großen Teilen in Bayern produziert wurde. Er wurde aber auch mit Vorgängen in Verbindung gebracht, die nie ganz geklärt wurden. Die Korruptionsaffäre um den Waffenhändler Karlheinz Schreiber zum Beispiel. Riedl wurde vorgeworfen, 500 000 Euro an Schmiergeldern für die Lieferung von 36 Spürpanzern des Typs Fuchs an Saudi-Arabien erhalten zu haben. Die Augsburger Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und Vorteilsnahme. Riedl wies den Vorwurf energisch von sich. Heraus kam nie etwas. Der Bundestag hob seine Immunität im Jahr 1996 auf, erkannte sie ihm im Jahr 1997 aber wieder zu - und erzwang dadurch quasi die Einstellung des Verfahrens gegen Riedl, weil die Staatsanwaltschaft wegen der Immunität von Abgeordneten nicht weiter ermitteln kann. Als "sanfte Ohrfeige für die Strafverfolger und ihre Oberen in München" wurde das damals bewertet.

Riedl, ein großer, bulliger Mann, galt als unorthodox und leutselig, er machte in seinem Münchner Wahlbezirk Hausbesuche, was damals noch nicht verbreitet war. Er sprach sich auch für die Einführung von Jugendparlamenten aus. Aber er verwandte auch ein Vokabular, das in der CSU immer wieder auftaucht, aber schon damals heftige Kritik provozierte. So rief er 1992 seinen Wahlkreis München-Süd zur "asylantenfreien Zone" aus. 1995 musste Riedl dann den Vorsitz des CSU-Kreisverbandes abgeben - ausgerechnet an den Sohn von Franz Josef Strauß, Max Strauß. Diese Schmach machte ihm zu schaffen. Darüber konnte er stundenlang sprechen, selbst bei Nieselregen im Englischen Garten.

Der im Sudetenland geborene Riedl war gelernter Postler. Zunächst als Postinspektor in Nürnberg, dann in München. Er studierte Betriebswirtschaft und promovierte über Bankenaufsicht. Der dreifache Vater liebte zwei Hobbys: Briefmarken, allein schon wegen seiner beruflichen Anfänge, und Fußball.

Den versuchte er von 1974 an auch als Präsident des TSV 1860 München zu fördern, wenn auch nicht sehr erfolgreich. Bei der Amtsübernahme fand er einen "schlimmen Augiasstall" vor, wie er sagte, und tatsächlich schaffte er es zunächst, die Schulden des Klubs von 3,5 Millionen auf 2,3 Millionen Mark zu senken. Doch nachdem 1977 der Aufstieg in die Bundesliga gelungen war, beging Riedl denselben Fehler wie seine Vorgänger und holte teuere Spieler und Trainer nach Giesing, um die Sechziger "wieder in die Spitzengruppe des deutschen Fußballs zu führen". Das Vorhaben endete 1982 mit acht Millionen Mark Schulden, dem Lizenzentzug in der zweiten Liga und dem Abstieg in die damals drittklassige Bayernliga.

"Sie Absteiger, Sie!", rief ihm daraufhin im Bundestag der SPD-Fraktionschef Herbert Wehner entgegen. Geschadet, so glaubte Riedl, habe ihm das Ehrenamt beim TSV 1860 aber nicht. "Die Leute können sehr wohl unterscheiden zwischen dem Vereinspräsidenten und dem Politiker", meinte er. Und in der Tat: Einige Monate nach seinem Rücktritt als 1860-Präsident wurde der Bayer wieder in den Bundestag gewählt.

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