Nachruf:Der Unbeugsame

Löwenberg

Martin Löwenberg stellte sich zeitlebens den alten und neuen Nazis entgegen. „Es kann legitim sein, was nicht legal ist“, lautet der Titel eines Dokumentarfilmes über den Aktivisten.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Martin Löwenberg, Holocaustüberlebender und antifaschistischer Widerstandskämpfer, ist im Alter von 92 Jahren gestorben

Martin Löwenberg hat Adolf Hitler und das Konzentrationslager überlebt. Und er hat sich danach vorgenommen, immer dort zu sein, wo Nazis marschieren. Diesem Vorsatz ist er bis ins hohe Alter treu geblieben. Wie Freunde der Familie mitteilten, starb der Holocaustüberlebende und antifaschistische Widerstandskämpfer am Ostermontag wenige Wochen vor seinem 93. Geburtstag.

1925 wurde Martin Löwenberg in Breslau geboren. Sein Vater, ein Jude, starb früh, seine Mutter bewahrte den Sohn davor, sich von der Hitlerjugend einfangen zu lassen. Martin war begeisterter Boxer, seine Schlaghand war die Linke; mehrmals verprügelten er und seine Freunde Mitglieder der Hitlerjugend. Sein älterer Bruder Fred animierte ihn dann, nicht nur mit den Fäusten zu kämpfen, sondern auch politisch. So schenkten sie heimlich Fremdarbeitern Brot und Zigaretten. Martin Löwenberg wurde erwischt und 1944 im KZ Flossenbürg inhaftiert.

Der Antifaschismus wurde zu Löwenbergs Berufung nach dem Krieg. 1947 ging er nach Bayern; seine Mutter hatte es ins Oberland verschlagen; dann zog er, der Arbeit wegen, nach München. Der gelernte Sattler wurde später Betriebsratschef beim Nähmaschinenhersteller Pfaff. Immer wieder ging er in Schulklassen, um von seinen Erlebnissen während der Nazizeit zu berichten. "Bei meiner Befreiung aus dem KZ hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich mein ganzes Leben gegen Faschismus, Antisemitismus und Rassismus, gegen Militarismus und Krieg kämpfen muss", sagte er einmal. Für sein Engagement wurde er unter anderem vom Münchner Schülerbüro ausgezeichnet, zudem erhielt er die Medaille "München leuchtet".

Auf zahlreichen Demonstrationen hat Löwenberg Menschen aufgefordert, gegen Nazis auf die Straße zu gehen. "Alle müssen selbst entscheiden, ob sie sich den menschenverachtenden Rassisten in den Weg stellen", rief er auf Kundgebungen und fügte dann hinzu: "Vielleicht hilft es bei der Entscheidungsfindung, wenn ich als Verfolgter und Inhaftierter des Naziregimes sage, ein solcher Schritt verlangt nur ein bisschen Zivilcourage, und ich bitte darum, diese heute zu besitzen."

Seine Zivilcourage hat ihm zu gewisser Prominenz verholfen. Aber 2003 wurde er dafür verhaftet: Er hatte öffentlich dazu aufgerufen, sich den Neonazis in den Weg zu stellen, einem Marsch, den der später als Terrorist verurteilte Martin Wiese angemeldet hatte.

"Es kann legitim sein, was nicht legal ist", lautet der Titel eines Dokumentarfilmes von Petra Gerschner und Michael Backmund, der die Maxime des Protagonisten auf den Punkt bringt. Die Filmemacher haben Löwenberg fast zwei Jahrzehnte lang mit der Kamera begleitet, um Löwenbergs "Leben gegen Faschismus, Unterdrückung und Krieg" aufzuzeichnen. Nun ist Löwenberg gestorben. "In unseren Herzen wirst du uns weiter begleiten auf dem Weg zu einer gerechten Welt", erklärten die Filmemacher.

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