Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Der Comic-Versteher

Wolfgang J. Fuchs hat in den Achtzigerjahren den Grundstein für das Münchner Comicfestival gelegt. Nun ist der Übersetzer gestorben

Von Sabine Buchwald

Bis zuletzt hat Wolfgang J. Fuchs für das Genre gearbeitet, das ihn seit seiner Jugend beschäftigte. Noch kurz vor seinem Tod pflegte er engen Kontakt mit dem Carlsen Verlag, der demnächst in der "Bibliothek der Comic-Klassiker" einen Prinz-Eisenherz-Band herausbringen wird. Fuchs hat alle Bände der Comic-Saga über den Ritter mit der markanten Frisur übersetzt. Am Montag dieser Woche ist Fuchs überraschend mit 74 Jahren gestorben. Er hinterlässt eine große Lücke - nicht nur in der Münchner Comic-Szene.

Wolfgang J. Fuchs kam 1945 in Unterfranken zur Welt, wuchs aber in München auf. Er hat Amerikanistik und Anglistik studiert, die Beschäftigung mit Texten und Sprache war ihm eine Herzensangelegenheit. Durch Brieffreundschaften, Kontakte zu Angehörigen der US-Armee, die in den Nachkriegsjahrzehnten in Deutschland lebten, und nicht zuletzt durch das Lesen von englischsprachigen Comics hatte er schon in jungen Jahren sein Schulenglisch perfektioniert.

Fuchs war einer der ersten Autoren im deutschsprachigen Raum, die sich ernsthaft und auf wissenschaftlichem Niveau mit dem Medium Comic auseinandersetzten. Zusammen mit Reinhold C. Reitberger schrieb er das Standardwerk "Comics - Anatomie eines Massenmediums", das in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Erschienen ist es 1971, in einer Zeit also, in der Informationen noch nicht via Internet recherchiert werden konnten. Zudem arbeitete Fuchs mit an "The World Encyclopedia of Comics" von Maurice Horn und "The Who's Who of American Comic Books", herausgegeben von Jerry Bales und Hames Ware. Fuchs war Mitte der Siebzigerjahre auch Redaktionsmitglied der Zeitschrift Peanuts. Außerdem schrieb er regelmäßig Beiträge für Magazine und Radiosender.

Neben Prinz Eisenherz hat Fuchs auch Jim Davies' humorvolle Geschichten mit dem Kater Garfield übersetzt. Mit Brian Fies' autobiografischer Graphic Novel "Mom's Cancer", die 2005 mit dem Eisner Award ausgezeichnet wurde, widmete er sich als Übersetzer einem ernsten Thema. Die deutschsprachige Ausgabe erhielt den Deutschen Jugendliteraturpreis.

In den Achtzigerjahren legte Fuchs den Grundstein für die Comicfestivals in Erlangen und München. 2015 organisierte er das Münchner Festival zusammen mit Heiner Lünstedt. "Wir verdanken ihm unendlich viel", sagt Lünstedt. Er habe die einheimische Szene verbunden mit dem Comic-Universum. Klaus Schikowski, Programmleiter bei Carlsen, schwärmt von Fuchs' offenen Art. Für Brain Fies war er schlicht "terrific". Am Montag ist Fuchs zu Hause im Beisein seiner Frau und seiner Tochter verstorben.

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SZ vom 24.01.2020
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