Nachgefragt:Warum ist der Vater auf freiem Fuß?

Der 22-jährige Marco Z. hat zwei Mädchen erstochen, die Leichen zerstückelt und in Mülltüten entlang der A 8 entsorgt. Sein Vater half ihm dabei. Wir haben bei Oberstaatsanwalt Peter Boie von der Staatsanwaltschaft München I nachgefragt, warum der Vater nicht belangt werden kann.

Interview: Birgit Lutz-Temsch

SZ: Warum kann der Vater nicht strafrechtlich verfolgt werden, obwohl er bei der Leichenbeseitigung geholfen hat? Boie: Man unterscheidet zwei Aspekte: Erstens den Umgang mit der Leiche. Hier käme der Tatbestand der Störung der Totenruhe in Frage, umgangssprachlich die Leichenschändung. Für eine Strafbarkeit muss aber mit der Leiche beschimpfender Unfug getrieben werden.

SZ: Was ist darunter zu verstehen? Boie: Eine besondere Herabwürdigung der verstorbenen Person, zum Beispiel, wenn eine Leiche aus Hass verunstaltet wird, sexuelle Handlungen vorgenommen oder Leichenteile in entwürdigender Position öffentlich deponiert werden. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs genügt es nicht, wenn eine Leiche zerstückelt wird, um sie unauffällig fortzuschaffen.

SZ: Was wäre der zweite Aspekt? Boie: Bei einem Mord ist die Leiche ein Beweismittel. Wer diese beeinträchtigt oder fortschafft, um jemanden vor Strafe zu bewahren, macht sich der Strafvereitelung strafbar. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber um Vater und Sohn. Für diesen Fall sieht das Gesetz Straffreiheit vor. Es wird somit ausdrücklich die Konfliktlage eines Angehörigen berücksichtigt, der vor der Wahl steht, entweder mitzumachen oder die strafrechtliche Verfolgung des Angehörigen hinzunehmen.

SZ: Das heißt, um einen Angehörigen vor Strafe zu schützen, ist alles erlaubt? Boie: Nein. Man darf keine anderen Rechtsgüter verletzen, also zum Beispiel keine Zeugen nötigen oder Urkunden fälschen. Nur die reine Beeinträchtigung der Strafverfolgung ist nicht strafbar.

SZ: Ist es ein ungewöhnlicher Fall, dass man jemanden, der hilft, Leichen zu zerstückeln, nicht verfolgen kann? Boie: Der Fall fällt dadurch aus dem Rahmen, dass die Handlungsweise besonders grausam ist, nämlich die Zerteilung einer Leiche. Juristisch unterscheidet sich das prinzipiell nicht davon, dass man andere Beweismittel beiseite schafft. Prinzipiell! Aus moralischer Sicht natürlich schon.

SZ: Ist es schwierig für einen Staatsanwalt, so handeln zu müssen? Boie: Es gibt durchaus Fälle, wo man mit den Zähnen knirscht, aber dieser Fall gehört nicht dazu. Das ist ein allgemein anerkannter Grundsatz, und in der Fachwelt wird, soweit für mich ersichtlich, keine Kritik an dieser Privilegierung geübt.

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