Süddeutsche Zeitung

Nachgefragt bei:Timm Baumann, 26, Politologe

"Das Private ist politisch", hieß es bei den 68ern. Diesen Zusammenhang sehen heute viele Leute gar nicht mehr. Ich arbeite an einer Akademie für politische Bildung, und wenn wir mit Schülern sprechen, stelle ich immer wieder fest, wie wenig Vorwissen sie haben. Wie sollen sie sich dann eine eigene Meinung bilden? Gerade in bayerischen Schulen ist die politische Bildung sehr defizitär. Und auf Partys erlebe ich es selbst, dass die Leute sagen: bloß nicht über Politik reden. Sie wollen sich den Spaß nicht verderben lassen. Die 68er hatten aber auch noch Themen, die wirklich aufgestachelt haben: die verklemmte Sexualmoral, der Vietnamkrieg, die mangelnde Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Ich habe in jüngster Zeit zwei Kinofilme gesehen, die mir das vor Augen geführt haben. "Im Labyrinth des Schweigens" und "Der Staat gegen Fritz Bauer" - da wird deutlich, wie schwer es jemand nach dem Krieg hatte, die Opfer von NS-Verbrechen zu rehabilitieren. Die 68er-Generation hat erst zu dieser offenen, modernen Gesellschaft geführt, in der wir heute leben.

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SZ vom 19.04.2018 / mse
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