Nachbarschaftshilfe:Als Tandem eine Stütze sein

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Dynamisches Duo: Renate Volk (links) und Ute Bujara leiten Tatendrang. Die Einrichtung verzeichnet fürs vergangene Jahr 850 Beratungsgespräche. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Ehrenamtliches Engagement in München nimmt zu, doch es fehlt an dauerhaften Helfern. Die Freiwilligenagentur Tatendrang hat festgestellt: Alleine ist es schwieg - und vermittelt nun Menschen, die sich zu zweit einbringen wollen

Von Melanie Staudinger, München

Das Ehrenamt in München wird jünger, es wird flexibler und das Interesse an einer Tätigkeit steigt weiter. Eigentlich sind das gute Nachrichten für Renate Volk, die Leiterin von Tatendrang, eine von drei Freiwilligenagenturen in der Stadt, die sich um die Vermittlung von Helfern kümmern: von Menschen, die kurzfristig bei Veranstaltungen mithelfen, Körperbehinderte ins Fußballstadion begleiten, mit Flüchtlingskindern Deutsch lernen oder Schwerstkranken den Alltag erleichtern.

Allein 850 Beratungsgespräche mit potenziellen Neueinsteigern absolvierte das Tatendrang-Team im vergangenen Jahr. Heuer werden es noch mehr sein, das zeichnet sich bereits ab. Und doch stehen die Ehrenamtsvermittler vor großen Herausforderungen: Viele Menschen wollten sich kurzfristig und spontan engagieren, scheuten längerfristige Einsätze, weil diese schwerer mit Studium, Beruf und Privatleben zu vereinbaren seien. Gesucht werden Helfer auch in Bereichen, in die man nicht einfach so hineinspringen kann, in denen Ehrenamtliche Beziehungen zu Klienten aufbauen müssten - und das brauche Zeit. Längerfristige, anspruchsvolle Tätigkeiten nennt Volk dieses Engagement, etwa in der Familienhilfe, als Lernpate für Kinder und Jugendliche, Hausaufgaben- oder Demenzbetreuer. Und hier werde es immer schwieriger mit der Nachwuchssorge.

Auf diesen Umbruch im Ehrenamt will Tatendrang, Deutschlands älteste Freiwilligenagentur, nun mit einem neuen Projekt reagieren. "Engagiert hoch 2" heißt das Format, das in diesen Tagen startet. Es richtet sich gezielt an Menschen, die sich zu zweit einbringen wollen. Freiwillige finden sich zu Engagement-Tandems zusammen, sie engagieren sich zu zweit oder abwechselnd in einem Projekt oder für eine Aufgabe. "Der Wunsch, seine Freizeit mit anderen und sinnvoll zu verbringen, wächst", sagt Tatendrang-Leiterin Volk.

Gemeinsames Engagement habe aber noch weitere Vorteile: Die Helfer seien zeitlich flexibler, sie könnten sich miteinander austauschen und unterstützen. Ein Tandem-Partner könne eine hilfreiche Stütze sein, wenn es einmal Schwierigkeiten gebe oder man einen Durchhänger habe. Schon jetzt gebe es zum Beispiel Ehepaare, die gemeinsam im Projekt Lesezeichen mit Grundschülern Bücher lesen würden, erzählt Volk. "Sie motivieren sich gegenseitig, können sich daheim über das Erlebte unterhalten und erhalten einen neuen Input für ihre Beziehung", sagt sie.

Die Ehrenamtsvermittler erhoffen sich, durch die Tandem-Aktion zum einen die Hemmschwelle für ein Engagement weiter herunterzusetzen nach dem Motto "Zu zweit ist es leichter". Zum anderen aber soll vor allem dem Frust vorgebeugt werden, der sich oft nach ein paar Monaten als Ehrenamtlicher einstellt. "Die Anfangseuphorie ist dann meist verflogen und die Helfer sehen sich mit Problemen konfrontiert", sagt Volk. Teilnehmer von "Engagiert hoch 2" haben dann immer einen festen Ansprechpartner, der sich auskennt und sich in der gleichen Situation befindet. Drittens habe sich gezeigt, dass Münchner, die einmal Spaß an einer ehrenamtlichen Tätigkeit gefunden hätten, eher bereit seien, sich auch längerfristig zu binden. Man muss die Leute also nur erst einmal an das Ehrenamt heranführen.

Vorerst ist "Engagiert hoch 2" gedacht für Tandems, die sich bereits kennen, Paare, Arbeitskollegen, Nachbarn, Geschwister. Bei Tatendrang aber gibt es weitergehende Pläne: In Zukunft soll das Projekt auch Menschen mit geringen Deutschkenntnissen oder mit einer Behinderung offenstehen, Freiwilligen eben, die bei ihrem Engagement etwas mehr Unterstützung brauchen. Auch für sie soll es niedrigschwellige Einstiegsmöglichkeiten geben. "Es ist aber schwieriger, für sie Einsatzorte zu finden", sagt Volk. Daher starte man zunächst mit einer festgelegten Zielgruppe.

Das Programm wurde mit den Einrichtungen, in denen Ehrenamtliche eingesetzt sind, entwickelt. Wer sich dafür interessiert, kann sich bei Tatendrang kostenlos beraten lassen. "Das Tandem kommt zu uns und wir suchen gemeinsam die passende Einrichtung für den Einsatz heraus", sagt Volk. Eine Liste mit möglichen Tätigkeiten existiere bereits: Kochveranstaltungen oder Repair-Cafés organisieren zum Beispiel, Lernunterstützung, Sprachunterricht, Öffentlichkeitsarbeit, Sing- und Gymnastikrunden mit Seniorinnen und Senioren. Eine Terminvereinbarung ist möglich unter 089/452 24 11-0 oder per Mail an info@tatendrang.de.

© SZ vom 04.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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