Nach vermutetem Missbrauch in Kindergarten:"Die nehmen uns nicht ernst"

Ein Pfleger soll in einem Münchner Kindergarten rund zwei Dutzend Kinder missbraucht haben. Die Eltern üben nun harsche Kritik am Krisenmanagement der städtischen Behörden.

Bernd Kastner

Die Stadt muss sich von Eltern heftige Kritik wegen ihres Krisenmanagements nach dem mutmaßlichen sexuellen Missbrauch in einem Kindergarten gefallen lassen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Pfleger eines städtischen Kindergartens. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sollen rund zwei Dutzend Kinder Opfer der Übergriffe geworden sein.

Wie berichtet, wurde der Mann sofort suspendiert. Er arbeitete seit sieben Jahren in der Einrichtung und betreute unter anderem Sport, Yoga und den Mittagsschlaf. Derzeit werden das Ausmaß und die Dauer des mutmaßlichen Missbrauchs ermittelt. Stadtschulrat Rainer Schweppe (SPD) verteidigt das Vorgehen seines Bildungsreferats.

Die Einladung zu einem ersten außerordentlichen Elternabend am 30. Juni, zehn Tage nach der Suspendierung, erfolgte, ohne den Anlass zu nennen. Zu diesem Treffen seien viele Eltern ahnungslos gegangen und hätten erst im großen Kreis von dem Verdacht erfahren, berichten Eltern. Manche seien in Unkenntnis der Brisanz wohl gar nicht gekommen. Zu großem Unmut habe dann das Verhalten der städtischen Fachleute geführt. "Es war niemand da, der uns hätte sagen können, wie wir mit den Kindern nun umgehen sollen", sagt eine Mutter, obwohl ein halbes Dutzend Mitarbeiter auftrat.

"Total konfus" nennt eine andere Mutter deren Agieren, eine weitere sagt: "Ich hatte das Gefühl, dass sie uns überhaupt nicht ernst nehmen." Erst ein zweiter Elternabend sei professioneller abgelaufen, aber erst auf massives Drängen hin zustande gekommen. Inzwischen haben Eltern eine Selbsthilfegruppe gegründet.

Externe Fachleute für sexuellen Missbrauch empfehlen ein anderes Vorgehen, als es die Stadt gewählt hat: Man müsste zunächst alle Eltern in einem Brief auf einen gemeinsamen Informationsstand bringen und den Verdacht konkret benennen. In einem anschließenden Elternabend müssten dann Fragen beantwortet werden, rät ein Experte.

Rainer Schweppe, als Referatschef zuständig für alle städtischen Kindertageseinrichtungen (Kitas), weist die Kritik rundweg zurück. Das Vorgehen sei völlig richtig gewesen, man habe aus juristischen Gründen nicht konkreter das Thema des Elternabends benennen dürfen. Einen Notfallplan für Missbrauchs-Verdacht habe sein Referat nicht in der Schublade. Diesen brauche man auch nicht, so Schweppe, da ohnehin klar sei, was zu tun sei. Der Unmut der Eltern in solch einer Situation sei "ganz normal", darüber müsse jeder erst mal ein paar Nächte schlafen. Sein Haus habe beim ersten Abend "nicht mit der ganzen Mannschaft" anrücken wollen.

Später erhielten die Eltern einen Brief der Kindergartenleiterin, in dem es heißt: "Wir als Team hätten in manchen Situationen nach dem Bekanntwerden der ersten Anschuldigungen gerne anders gehandelt." Schweppe räumte im Gespräch mit der SZ ein, dass er dieses Schreiben nicht kenne. Auch er wisse nicht, was dieser Satz zu bedeuten habe.

Knapp vier Prozent der Beschäftigten in städtischen Krippen, Kindergärten und Horten seien männlich. Schweppe sagt, er sehe keinen Anlass, diese dringend gesuchten Betreuer einer speziellen Kontrolle zu unterwerfen. Laut dem Stadtschulrat, dessen Referat für 28.000 Kinder in 450 Kitas direkt verantwortlich ist, gibt es in seinem Haus keine Statistik oder systematische Erhebungen von Fällen sexuellen Missbrauchs in städtischen Einrichtungen.

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