Süddeutsche Zeitung

Nach Verhaftung:Polizisten schikanieren Ladendieb - Landeskriminalamt ermittelt

  • Zwei Polizeibeamte sollen den Iraker nach seiner Festnahme übel beschimpft und schikaniert haben.
  • Der Vorfall sorgt seit Freitagabend für Aufsehen, nachdem der Filialleiter des Bekleidungsgeschäfts via Facebook schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben hatte.

Von Thomas Schmidt

Im Fall eines mutmaßlich von Münchner Polizisten verhöhnten und schikanierten Ladendiebes hat das bayerische Landeskriminalamt (LKA) Ermittlungen eingeleitet. Das bestätigte ein Sprecher des LKA am Sonntag der Süddeutschen Zeitung. Der Vorfall sorgt seit Freitagabend für Aufsehen, nachdem ein Filialleiter eines Bekleidungsgeschäfts in der Fußgängerzone via Facebook schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben hatte. In Absprache mit dem Münchner Polizeipräsidium habe das LKA den Fall nun übernommen, erklärte der Sprecher. Weitere Angaben könne er noch nicht machen.

Die Geschichte begann zunächst skurril: Ein 31 Jahre alter Mann aus dem Irak soll in dem Geschäft "Snipes" an der Neuhauser Straße Sportschuhe im Wert von 289 Euro gestohlen haben. Nicht nur, dass er sich aus Versehen zwei linke Schuhe geschnappt hatte, bei seiner Flucht rannte er auch noch ausgerechnet in das Rondell des nahegelegenen Polizeipräsidiums, wo er sogleich von den Beamten der Hauswache festgenommen wurde.

Diese Meldung wäre wohl kaum mehr als eine amüsante Randnotiz, wenn nicht der Filialleiter hinter dem Dieb hergerannt wäre und später auf seiner Facebook-Seite berichtet hätte, was er im Präsidium beobachtet habe. Nach den Angaben des Mitarbeiters sollen Polizeibeamte den Iraker, dessen Aufenthaltsgenehmigung offenbar abgelaufen war, übel beschimpft und schikaniert haben. Sätze seien gefallen wie "Du stinkst ja bestialisch, kannst du dich nicht mal waschen?" und "Nix zu essen mehr gehabt, müssen wir jetzt Schuhe klauen." Außerdem habe sich der Schuhdieb für eine Durchsuchung ausziehen müssen.

Der Filialleiter war empört von dem Vorgehen der Polizei und berichtete davon im Internet. Der Iraker habe eine Straftat begangen, Anzeige und Vernehmung seien nur rechtens. "Aber dass die Polizei als Gesetzesvertreter und Vorbild sich so aufführt und dauerhaft Witze reißt, so etwas ist einfach nur beschämend."

Allein der Facebook-Post der SZ dazu hatte bis Sonntagmittag rund 250 000 Nutzer erreicht. In zahlreichen Kommentaren zeigen Leser Mitleid mit dem Schuhdieb und Verärgerung über das Vorgehen der Polizei, andere hingegen äußern Verständnis für die Beamten und beleidigen stattdessen sogar den Filialleiter heftig, weil er sich für eine gerechte Behandlung des Irakers eingesetzt hatte. Der Filialleiter selbst wollte sich am Wochenende nicht mehr öffentlich zu den Vorgängen äußern, mehr noch: Sein Eintrag über den Vorfall im Präsidium ist auf seinem Facebook-Profil nicht mehr sichtbar. Nach Angaben der Polizei aber werde ihn das Landeskriminalamt als Zeugen befragen.

Die Polizisten, die den Iraker beschimpft haben sollen, verrichteten nach Angaben des Präsidiums am Samstag normal ihren Dienst. "Sie haben ihre Sicht der Dinge dargestellt, jetzt geht das Ganze zum LKA", erklärte ein Sprecher der Polizei am Sonntag. "Für sie gilt genau wie für jeden anderen die Unschuldsvermutung." Die verbalen Angriffe auf den Dieb müssten "erst mal bewiesen werden". Bereits am Freitagabend betonte Polizeipressesprecher Marcus Gloria da Martins: "Wir nehmen den Vorfall sehr ernst. So ein Verhalten würden wir nicht tolerieren." Wie lange nun die Ermittlungen des Landeskriminalamts dauern werden, könne er nicht abschätzen, sagte ein LKA-Sprecher.

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Quelle:
SZ vom 06.06.2016/kbl
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