Nach Unfällen mit Kopfhörern:Musik leise im Straßenverkehr

Lesezeit: 3 Min.

Laute Musik aus dem Smartphone übertönt selbst das schrille Klingeln einer Tram - die Münchner Verkehrsgesellschaft weiß da keine Abhilfe. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Innerhalb von zwei Wochen sind drei junge Menschen mit Kopfhörern im Straßenverkehr verunglückt.
  • Eine 15-Jährige starb, ein 17- und ein 23-Jähriger wurden jeweils schwer verletzt.
  • Die Polizei warnt davor, Kopfhörer und Smartphone im Straßenverker zu benutzen.

Von Katharina Kutsche und Susi Wimmer, München

Sie sind bunt und stylisch, mal unsichtbar versteckt im Ohr, mal protzig groß, mit Kabel oder drahtlos mit dem Smartphone verbunden: Ohne Kopfhörer gehen viele junge Leute gar nicht mehr auf die Straße. "Sie denken, Musik über Kopfhörer zu hören, dient hier in der Stadt zur Entspannung oder zum Vergnügen", sagt Rainer Männicke, Erster Hauptkommissar bei der Verkehrspolizei München. Er warnt aber: Die Ablenkung ist extrem gefährlich. Allein in den vergangenen zwei Wochen starb deswegen ein 15-jähriges Mädchen, zwei Männer wurden schwer verletzt. Alle waren im Straßenverkehr zu Fuß unterwegs, alle trugen Kopfhörer.

Wie sich die Unfälle zutrugen

Die 15-jährige Schülerin lief am 2. März in der Landsberger Straße vor eine Trambahn, die sie offenbar nicht hat kommen hören. Sie wurde von dem Zug mitgeschleift und starb.

Zwei schwere Unfälle ereigneten sich allein an diesem Mittwoch. Ein 23-jähriger Student stieg nachts am Hohenzollernplatz aus einem Bus aus und lief vor ein Auto - er hatte es weder gesehen noch gehört. Er zog sich schwere Verletzungen zu.

Am frühen Mittwochabend dann wartete ein 17-jähriger Schüler mit einer Gruppe von Freunden an der Trambahnhaltestelle an der Regina-Ullmann-Straße. Dort, an der Cosimastraße in Oberföhring, verläuft die Tramlinie in der Fahrbahnmitte. Der 17-Jährige trug Kopfhörer, winkte seinen Freunden zum Abschied noch zu, drehte sich um und lief genau vor die einfahrende Tram der Linie 16.

Der Fahrer bremste sofort, dennoch wurde der Schüler vom Zug erfasst und mit dem Kopf voran auf den Boden geschleudert. Er erlitt schwere Verletzungen und kam in eine Klinik. Laut Polizei befindet er sich nicht in Lebensgefahr. Der geschockte Trambahnfahrer, 57, musste ebenfalls zur Behandlung in ein Krankenhaus gebracht werden.

Wie man solchen Unfällen vorbeugen kann

"Man braucht nur durch die Stadt zu gehen, da sieht man, wie viele Leute sich ablenken", sagt Verkehrsexperte Rainer Männicke. Das fängt beim Musikhören mit Kopfhörer an und hört beim Handytippen auf. Beim Telefonieren im Auto sind die Regeln glasklar: Das Handy darf während der Fahrt nicht angefasst werden, man darf nicht mal das Kopfhörerkabel einstecken.

Bei Fußgängern allerdings ist die Polizei machtlos. Mit repressiven Maßnahmen komme man da nicht weiter, meint Männicke. Man könne nur an die Vernunft der Verkehrsteilnehmer appellieren, den Kopfhörer erst im Zug aufzusetzen oder die Musik so leise zu drehen, dass man Außengeräusche noch wahrnehmen könne.

Pädagogische Arbeit ist also nötig, die ist aber gar nicht so einfach. Im Maria-Ward-Gymnasium in Nymphenburg hat zurzeit noch die Trauerarbeit absolute Priorität: Das 15-jährige Mädchen, das in der Landsberger Straße vor eine Trambahn lief und tödlich verletzt wurde, war hier Schülerin. Jürgen Schmelter, Mitglied der Schulleitung, sagt: "Natürlich werden wir das Thema Kopfhörer im Straßenverkehr aufgreifen. Wir wollen unsere Schülerinnen und Schüler sensibilisieren." In welcher Form die Schule auf die Gefahren aufmerksam machen möchte, ist aber noch unklar, erklärt Schmelter. Die schulinterne Trauerfeier nach den Osterferien habe Vorrang.

Eine offizielle Anleitung zur richtigen Verkehrserziehung in Zeiten von Smartphones gibt es bislang nicht, sagt Ursula Oberhuber vom Referat Bildung und Sport. Man baut auf die Eigeninitiativen der Schulen. Sie sollten eigenständig auf solch tragische Fälle reagieren, "sie sind auch näher dran."

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Auch die Münchner Verkehrsgesellschaft kennt das Problem, plant aber keine konkreten Warnhinweise. Pressesprecher Matthias Korte sieht "ein gesamtgesellschaftliches, kein spezifisches Thema des öffentlichen Nahverkehrs": "Hier kann man nur an den Einzelnen appellieren." Eigentlich klingele eine Trambahn bei einer Notbremsung derart laut, dass man das nicht überhören könne. Außerdem zeige gerade der Unfall des 23-Jährigen, der am Hohenzollernplatz vor ein Auto gelaufen war, dass das Problem den gesamten Straßenverkehr betreffe.

Eben auch die Autofahrer - und auch da stellt die Verkehrspolizei einen gefährlichen Trend fest. Derzeit registriere man extrem viele Auffahrunfälle in München. Als Ursache vermutet Verkehrspolizist Männicke, dass viele Fahrer durch ihr Smartphone abgelenkt werden. "Wenn ich mit Tempo 50 fahre und für eine Sekunde auf das Handydisplay schaue, habe ich mit dem Auto 14 Meter im Blindflug zurückgelegt." Nur: Bei reinen Blechschäden darf die Polizei nicht kontrollieren, ob der Unfallfahrer vorher durch das Handy abgelenkt war.

© SZ vom 18.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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