Nach Tod von Inselkammer:Bei Augustiner herrscht Ratlosigkeit

Richtfest des Turms am Augustinerzelt, 2010

Das Augustinerzelt auf dem Oktoberfest. Das Bier ist in München eine Traditionsmarke.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Augustiner ist die Kultmarke unter den Münchner Bieren. Dahinter steckt keine ausländische Brauholding, sondern ein sehr bodenständiges Unternehmen. Dafür stand auch Geschäftsführer Jannik Inselkammer. Sein Tod macht die Mitarbeiter ratlos.

Von Franz Kotteder

Am Tag, nachdem die Hiobsbotschaft eingetroffen war, scheint man in der Augustiner-Brauerei an der Landsberger Straße noch immer unter Schock zu stehen. Der plötzliche Tod des 45-jährigen Geschäftsführers Jannik Inselkammer, der im Urlaub in Kanada beim Helicopter-Skiing von einer Lawine erfasst wurde und ums Leben kam, lässt viele im Unternehmen ratlos zurück.

Inselkammer hat in den vergangenen zehn Jahren als Geschäftsführer die Brauerei sehr erfolgreich geleitet. Die Nachfolgefrage hätte sich für sehr lange Zeit einfach nicht gestellt, insofern ist man in der Brauereizentrale im Westend erst einmal völlig überrascht von den Ereignissen.

Niemand scheint zu wissen, wie es nun weitergehen wird. Bei der eilig einberufenen Betriebsversammlung am Mittwoch um neun Uhr früh wurde den 200 Mitarbeitern nur die Todesnachricht verkündet. Personelles, hieß es, werde frühestens am nächsten Tag bei einer Sitzung der Brauerei-Gesellschafter beraten.

Am Donnerstag ist bei Augustiner keiner von den Verantwortlichen zu sprechen. In der Führungsetage ist man offenbar vollauf damit beschäftigt, Presseanfragen abzuwimmeln. "Wir bitten um Verständnis", sagt die Vorzimmerdame, "dass wir nichts sagen können." Nur heute nicht? "Nein, überhaupt nicht."

Werner Mayer, Co-Geschäftsführer des in Kanada tödlich verunglückten Augustinerchefs Jannik Inselkammer, ist ebenso wenig zu erreichen wie Catherine Demeter, Vorsitzende der Edith-Haberland-Wagner-Stiftung, die 51 Prozent der Augustiner-Bräu Wagner KG hält und damit die Firmenpolitik wesentlich mitbestimmen kann. Bei der Stiftung wird man höflich gebeten, Anfragen per E-Mail zu stellen.

Die bleiben dann freilich unbeantwortet. In diesen Tagen ist es vermutlich leichter, in der Konzernzentrale von Aldi einen Termin für eine Home-Story mit Aldi-Süd-Chef Karl Albrecht zu bekommen als eine Äußerung von Augustiner. Und Aldi ist bekannt dafür, dass dort nicht einmal die Frage nach der Uhrzeit beantwortet wird, wenn ein Journalist sie stellt.

Pro Jahr werden um die 1,5 Millionen Hektoliter Bier gebraut

Allzu große Transparenz kann man auch Augustiner nicht vorwerfen. Die Brauerei macht keine Werbung, es gibt keinen Pressesprecher, mit Geschäftszahlen protzt man nicht. Wer sich die älteste bestehende Brauerei Münchens nennen kann - Augustiner wurde 1328 als Klosterbrauerei gegründet -, hat das nicht nötig. 350 Angestellte beschäftigt das Unternehmen, pro Jahr werden um die 1,5 Millionen Hektoliter Bier gebraut. Viele sagen, es sei das beste Münchner Bier.

Auf alle Fälle ist es das münchnerischste, denn hinter Augustiner steht weder ein brasilianisch-belgischer noch ein niederländischer Bierkonzern, sondern im wesentlichen eine Stiftung. Edith Haberland-Wagner, letzte Nachfahrin der großen Münchner Brauer-Dynastie Wagner, die die Klosterbrauerei der Augustiner einige Zeit nach der Säkularisation gekauft hatte, hat sie gegründet. Als sie 1996 starb, vererbte sie der Stiftung die ihr gehörenden 51 Prozent. Der nächstgrößere Anteilseigner ist die Familie Inselkammer, der 35 Prozent an Augustiner gehören.

Warum Augustiner trotz der fehlenden Werbung zu einer Art Kult-Marke geworden ist, hat vielleicht auch damit zu tun, dass man nicht auf Teufel komm' raus Aktionäre reich machen muss. Die Stiftung dient sozialen und kulturellen Zwecken, und die Familie Inselkammer verfügt angeblich über ein Privatvermögen von stolzen 750 Millionen Euro, laut einer Liste des amerikanischen Wirtschaftsmagazins Forbes aus dem Jahr 2010, hauptsächlich in Form von Immobilienbesitz.

Das Wenige, was über Jannik Inselkammer an die Öffentlichkeit drang, lässt darauf schließen, dass ihm die Brauerei eine Herzensangelegenheit war. Inselkammer war die bayerische Tradition dabei übrigens ebenso wichtig wie neue Formen der Jugendkultur. Dass er die zeitweise mit Projektaufträgen förderte, weiß kaum jemand.

Insofern ist es durchaus schlüssig, dass Augustiner bei aller Traditionalität auch ein sehr jugendliches Image hat. "Der August", wie das Bier bei jüngeren Münchnern heißt, ist nach wie vor höchst beliebt in der Clubszene, selbst in Berlin - einer der wenigen Städte außerhalb Bayerns, wo Augustiner überhaupt erhältlich ist.

Mit "dem August" kann in Südbayerns Discos und Kneipen jedenfalls höchstens noch "das Tegernseer" mithalten, was die Beliebtheit angeht. Und auch viele Augustiner-Wirtschaften kommen gut beim Publikum an, auch wenn deren neobajuwarische Systemgastronomie mit Dialektspeisekarten gewöhnungsbedürftig ist. Selbst Stiftungschefin Catherine Demeter soll davon nicht begeistert sein.

Im Stammhaus hoffen viele in der Belegschaft nun, dass wieder ein Mitglied der Familie Inselkammer als geschäftsführender Gesellschafter weitermacht. Mit denen sei man gut gefahren, und die Inselkammers seien nicht darauf angewiesen, mit der Brauerei Profit zu machen. Und es deutet immerhin auch nichts darauf hin, dass die Familie ihre Anteile verkaufen will.

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