Nach sechs Jahren auf der Flucht:Polizei fasst Sekten-Guru Shanti in Portugal

Die Polizei in Portugal hat den Musiker und mutmaßlichen Kinderschänder Oliver Shanti festgenommen. Der Mann, der bis 2002 in München lebte, wird des 116-fachen sexuellen Missbrauchs beschuldigt.

Susi Wimmer

Die Staatsanwaltschaft München hat die Festnahme des mutmaßlichen Kinderschänders und Esoterik-Musikers Oliver Shanti bestätigt. Der seit sechs Jahren gesuchte Deutsche, der mit bürgerlichem Namen Ulrich Schulz heißt, sei am Wochenende in Portugal festgenommen worden, sagte ein Sprecher am Montag in München.

Nach sechs Jahren auf der Flucht: Dem Musiker Oliver Shanti wird vorgeworfen, mehr als 100 Kinder sexuell missbraucht zu haben.

Dem Musiker Oliver Shanti wird vorgeworfen, mehr als 100 Kinder sexuell missbraucht zu haben.

(Foto: Foto: BKA)

Dem 59-Jährigen wirft die Staatsanwaltschaft 116 Fälle von teilweise schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern vor, insgesamt sollen es mehr als 1000 Einzeltaten sein.

Die Eltern zweier Münchner Kinder hatten die Ermittlungen gegen Ulrich Schulz im Januar 2002 ins Rollen gebracht: Sie zeigten Schulz wegen sexuellen Missbrauchs an. Die Kriminalpolizei nahm die Ermittlungen auf und stieß auf eine unglaubliche Geschichte.

Begonnen hatte alles in einem Hippie-Dorf in Indien. Dort gab sich Ulrich Schulz, der jetzt Oliver Shanti hieß, als Guru aus, sammelte Anhänger um sich und erklärte ihnen die Welt. Er sei Schüler einer indischen Heiligen, gab er vor. Tatsächlich war der Guru ein Schulabbrecher, Sohn einer Hamburger Beamtenfamilie. Und er scharte immer kleine Buben um sich.

1981 ging Schulz zurück nach Europa, gründete im Bayerischen Wald eine Art Landkommune mit dem Namen "Sattva-Gruppe" und wechselte ein Jahr später mit etwa 20 jungen Leuten in die Herzog-Wilhelm-Straße nach München. Hier soll er sich, sagt ein Aussteiger, fast täglich "Jungs aus der Fußgängerzone ins Bett geholt haben". Nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl wechselte Schulz nach Portugal, kaufte das Landgut "Quinta San José".

Großes Geld als Produzent

Nach einem Bericht der Berliner Zeitung spielte sich Schulz dort in Vila Nova De Cerveira als Wohltäter auf, spendierte dem Dorf Kranken- und Leiterwagen - und lud Kinder zu sich auf das Landgut ein. Er soll seine Anhänger davon überzeugt haben, ihm ihre Kinder "zur Pflege" anzuvertrauen. Einige der Buben seien später heroinsüchtig geworden, einer habe sich sogar umgebracht.

Polizei fasst Sekten-Guru Shanti in Portugal

Unter dem Namen Oliver Shanti hatte der mutmaßliche Kinderschänder das große Geld gemacht: Als Produzent von Esoterik- und Entspannungsmusik (unter dem Label "sattva music") war er äußerst erfolgreich. Er war bekannt mit Folksänger Donovan und produzierte mit seiner Firma, die ihren Sitz zunächst in München und dann am Schliersee hatte, den Rockmusiker Rick Wakeman. 2001 spielte er eine CD mit dem Londoner Royal Philharmonic Orchestra ein. Als allerdings in der Musikbranche bekannt wurde, dass Shanti angeblich eine Vorliebe für Buben hege, beendeten viele Vertriebsfirmen die Zusammenarbeit.

Im Juli 2002 nahmen Beamte in München Horst B. fest, Schulzes "rechte Hand" in der "Sattva-Gruppe". In der Gruppe war es offenbar wegen des Geldes zu Streitereien gekommen. B. nahm sich in der Untersuchungshaft in Stadelheim das Leben. Etwa Mitte 2002 bekam Ulrich Schulz auf seinem Landsitz in Portugal davon Wind, dass die Polizei sich an seine Fersen geheftet hatte.

Katz und Maus

Als portugiesische Spezialeinheiten vor seiner Haustür standen, war er längst über alle Berge. Jetzt wurden Zielfahnder des Bundeskriminalamtes auf Schulz angesetzt. Das Präsidium München stellte Fotos des Gesuchten im Internet ein. Dort ist ein übergewichtiger Mann mit etwa 150 Kilogramm zu sehen, eine ungepflegte Erscheinung mit weißen Vollbart und schwarzen Haaren bis zum Kinn.

Auch in der Fernsehsendung "Aktenzeichen XY...ungelöst" wurde ein Aufruf ausgestrahlt und eine Belohnung von 3000 Euro für Hinweise geboten, die zur Ergreifung von Schulz führen. Doch er verstand es offenbar vortrefflich, mit der portugiesischen Polizei Katz und Maus zu spielen. Mal wurde er in der Nähe seines ehemaligen Landhauses gesehen, mal in Spanien, mal in anderen Nachbarländern. Der internationale Haftbefehl, der gegen Schulz vorlag, konnte jedenfalls nie vollstreckt werden. Schätzungen zufolge soll er in einem Zeitraum von mehr als zehn Jahren Buben in über 1000 Fällen missbraucht haben.

Am gestrigen Sonntag nun meldete die portugiesische Nachrichtenagentur Lusa, dass der 59-Jährige in Lissabon festgenommen werden konnte. Für die Zuständigen in München ein immenser Erfolg.

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