Nach Messerstichen im Bus:Amok-Opfer außer Lebensgefahr

Ein Amokläufer hat in einem Linienbus mit einem Messer ein Blutbad angerichtet. Bei der Attacke wurden acht Menschen verletzt. Der möglicherweise psychisch kranke Täter wurde gefasst und sitzt in Haft.

Bend Kastner

Es waren schreckliche Szenen, die sich am Freitag gegen 23.30 Uhr in einem Bus der Linie 52 auf dem Weg vom Tierpark zum Marienplatz abspielten. Laut Josef Wilfling, Chef der Mordkommission, war der MVV-Gelenkbus mit rund 80 Fahrgästen "gerammelt voll", die Menschen standen dicht gedrängt.

An der Haltestelle Schweigerstraße waren rund 40 bis 50 Besucher der Auer Dult zugestiegen, unter ihnen der spätere Täter Giovanni Aron, ein gebürtiger Italiener. Er fiel bereits dort dem 29-jährigen Busfahrer auf, weil er abseits der Menge stand und "rumgezappelt"habe.

Nachdem er den Bus beim Fahrer bestiegen hatte, bahnte er sich wild schimpfend einen Weg durch die Menschenmenge nach hinten. Er habe "Scheiß-Deutschland" und "Scheiß-Deutsche" gerufen, so Wilfling.

Als der Bus den Sendlinger-Tor-Platz erreichte, hörte der Fahrer Schreie und Hilferufe. Er alarmierte über die Leitstelle Polizei und Rettungskräfte. Wie die Polizei rekonstruierte, muss der Täter noch im Bus mit einem Klappmesser mit etwa zehn Zentimeter langer Klinge "blindwütig um sich gestochen haben, ohne Rücksicht auf Verluste".

Ob es zuvor einen Wortwechsel zwischen dem Täter und anderen Fahrgästen gegeben hat, steht noch nicht fest. Es sei offenbar alles so schnell gegangen, dass die anderen Fahrgäste gar keine Chance hatten, den Täter zu überwältigen. Nach dem Öffnen der Türen lief er nach vorne, und bedrohte vor dem Bus stehend mit dem gezogenen Messer andere Personen. Ob er auf der Straße weitere Menschen verletzte, steht noch nicht fest, so Wilfling.

Anschließend flüchtete Giovanni Aron in die Thalkirchner Straße. Dort warf er sein Messer in einen Blumentrog und lief weiter in die Reisingerstraße. An der Ecke zur Lindwurmstraße wurde er bereits zehn Minuten nach der Tat von Polizisten zweier Streifenwagen überwältigt und festgenommen.

Einsatzleiter Werner Sika lobte ausdrücklich das umsichtige Verhalten der Passanten und Fahrgäste: Drei Personen hatten den Täter in sicherem Abstand verfolgt und der Polizei via Handy über seine Fluchtroute informiert.

Den eintreffenden Rettungskräften und Polizisten boten sich vor der Kreissparkasse "Bilder des Schreckens", so Sika. Mehrere Personen lagen heftig blutend am Boden, saßen oder standen geschockt am Straßenrand. Am schlimmsten wurde ein 64 und 68 Jahre altes Ehepaar getroffen: Die Frau wurde an der Brust, der Mann am Bauch verletzt.

Sie und auch ein dritter, 47-jähriger Mann, der einen Bauchstich erlitt, sind mittlerweile außer Lebensgefahr. Zwei weitere Personen liegen noch in Krankenhäusern. Ein weiterer Mann wurde im Gesicht getroffen, seine Backe wurde durchtrennt. Gegen Giovanni Aron wurde laut Staatsanwalt Martin Kronester am Samstag Haftbefehl wegen versuchten Mordes erlassen. Er liegt derzeit in Stadelheim auf der Krankenstation.

Noch sei sein Gesundheitszustand nicht klar, so Kronester. Einerseits habe er in den ersten Vernehmungen einen verwirrten Eindruck gemacht, von einem Prediger und von Heiligen berichtet, die ihm Dinge einredeten.

Dennoch habe er nicht das für einen Schizophrenen typische Verhalten gezeigt. Er habe angegeben, auf der Dult vier Maß Bier getrunken zu haben, und in der Vernehmung in holprigem Deutsch gesagt: "Nach dem ganzen Bier hatte ich Lust, umzubringen." Dennoch habe er keinen betrunkenen Eindruck gemacht, seine Alkoholwerte lagen gestern noch nicht vor.

Vor dem Haftrichter machte er keine weiteren Angaben, sagte nur, er könne sich an nichts erinnern. Einen verwirrten Eindruck habe er jedenfalls nicht mehr gemacht. In seiner Wohnung, einem schlichten Appartement, habe man nichts Auffälliges gefunden. Erst nach einer psychiatrischen Untersuchung werde die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie Anklage erhebe oder wegen Schuldunfähigkeit seine Unterbringung in einer Psychiatrie beantrage.

Bisher steht lediglich fest, dass der berufslose 48-Jährige mit Unterbrechung seit 1979 in München lebt und sechs Jahre als Hilfsarbeiter im Schlachthof arbeitete. Seit einiger Zeit ist er arbeitslos und wisse nach eigenen Angaben nicht, wovon er leben solle. Freunde habe er keine.

Weil die Polizei mehr über die Vergangenheit Arons, der bisher noch nie auffällig geworden war, wissen will, bittet sie Personen, die ihn kennen, sich unter Telefon 2910-0 zu melden. Insbesondere interessiert, ob der Mann bereits auf der Dult auffällig geworden war und in welchem Umfeld er sich bisher aufhielt.

Während die Polizei das Verhalten der Passanten und des Busfahrers ausdrücklich als vorbildlich lobte, übte der Chef der Mordkommission scharfe Kritik am Verhalten eines Oberarztes im Klinikum Rechts der Isar: Der Mediziner habe sich geweigert, die Polizei über den Zustand des am schwersten verletzten Opfers zu informieren.

Auch habe er den Mann, eine Blutprobe und die Kleidung "vor der Polizei versteckt", berichtete Wilfling. Die Polizei sei darauf angewiesen, Blutproben zu erhalten, da mehrere Menschen mit derselben Waffe verletzt wurden. Außerdem müsse man die Kleidung der Opfer sicherstellen. Statt dessen habe der Arzt, im Gegensatz zu Medizinern anderer Krankenhäuser, die Ermittlungen der Polizei behindert. Wilfling kündigte ein "Nachspiel" an: "Das ist ein unglaublicher Vorgang, so etwas habe ich noch nie erlebt."

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