Nach Hygieneskandal:Laut Gutachten war Müller-Brot lange vor der Insolvenz pleite

Müller-Brot

Das alte Logo der Großbäckerei Müller.

(Foto: dpa)

Müller-Brot war offenbar schon zahlungsunfähig, als die Firma dies im Februar 2012 anmeldete. Zu diesem Schluss kommen der Insolvenzverwalter und ein Wirtschaftsprüfer. Dem ehemaligen Mehrheitseigner Ostendorf drohen jetzt massive juristische Konsequenzen.

Von Katja Riedel

Im Fall der insolventen ehemaligen Großbäckerei Müller-Brot aus Neufahrn drohen dem früheren Mehrheitseigner Klaus Ostendorf sowie mehreren weiteren Verantwortlichen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in Kürze massive juristische Konsequenzen. Dies gilt sowohl strafrechtlich als auch bezüglich einer privaten Haftung.

Müller-Brot hatte im Februar 2012 Insolvenz angemeldet. Ein Gutachten des Teams um Insolvenzverwalter Hubert Ampferl kommt genauso wie ein weiterer bestellter Wirtschaftsprüfer zu dem Schluss, dass die Großbäckerei schon längere Zeit zahlungsunfähig gewesen sei. Ließe sich dies nachweisen, müssten die drei früheren Geschäftsführer mit ihrem Privatvermögen für den Schaden haften, der von diesem Zeitpunkt an entstanden ist.

Insolvenzverwalter Ampferl sagte am Donnerstag, er habe dazu "umfangreiche Daten und Unterlagen gesichert und in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft ausgewertet". Juristisch sei er sich sehr sicher, nachweisen zu können, dass das Unternehmen schon lange vor dem Insolvenzantrag Mitte Februar 2012 zahlungsunfähig gewesen sei - wie lang genau, will er aus prozesstaktischen Gründen derzeit nicht sagen.

"Zunächst reiten wir die Abteilung Attacke"

Zunächst wolle er auf eine Summe von etwa 20 Millionen Euro Haftung klagen; nach SZ-Informationen ist die tatsächliche Schadenssumme jedoch wesentlich höher. Dafür geradestehen müsste wohl hauptsächlich Klaus Ostendorf, der zumindest in der Vergangenheit über ein Privatvermögen von mehreren Hundert Millionen Euro aus früheren Geschäften in der Backbranche verfügt haben soll. Die anderen Verantwortlichen gelten als weniger vermögend.

Ostendorf war über seine Anwälte nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Einen Vergleich schloss Ampferl nicht aus, "zunächst reiten wir aber die Abteilung Attacke", sagte er.

Auch der Landshuter Oberstaatsanwalt Markus Kring zeigte sich am Donnerstag zuversichtlich, die langwierigen strafrechtlichen Ermittlungen in Kürze abschließen zu können. Dass Anklage erhoben werde, wollte er nicht bestätigen. "Die Geschichte neigt sich aber definitiv dem Ende zu. Wenn es etwas zu vermelden gibt, könnte dies einiges Aufsehen erregen", sagte Kring.

Die Landshuter Staatsanwaltschaft hatte seit Frühjahr 2012 geprüft, ob es bei der infolge eines Hygieneskandals in die Schlagzeilen gekommenen Großbäckerei möglicherweise nicht nur zu Verstößen gegen das Lebensmittelrecht, sondern auch zu Insolvenzbetrug oder -verschleppung gekommen sein könnte. Gläubiger von Müller-Brot haben bei der Insolvenzverwaltung Forderungen über insgesamt gut 80 Millionen Euro erhoben. Wie viel sie davon zurückbekommen, hängt auch vom Ausgang möglicher Verfahren ab - und auch davon, wie viel bei den ehemals Verantwortlichen an haftbarem Privatvermögen noch vorhanden ist.

Selbst die Silos der alten Backfabrik sind verkauft worden

Der ehemalige Mehrheitseigner und Mitgeschäftsführer Ostendorf hat sich aus dem Geschäftsleben weitgehend zurückgezogen. Zuletzt trennte er sich kurz vor Weihnachten von den Anteilen der Familienholding an der österreichischen Anker Brot AG in Wien, wo nur noch Sohn Peter dessen 15 Prozent behalten hat. Klaus Ostendorfs Leipziger Backfabrik Löwenbäcker, die mit Müller-Brot kooperiert hatte, ist insolvent und abgewickelt, in der Einkaufsgesellschaft Backwelt hat sich Ostendorf schon länger aus der Geschäftsführung zurückgezogen, der letzte Jahresabschluss stammt von 2011, die Internetseite zeigt eine Baustelle. Und Sohn Frank musste für seine Gelsenkirchener Großbäckerei Stauffenberg ebenfalls im Herbst Insolvenz anmelden.

Vater Klaus Ostendorf firmiert noch als Geschäftsführer der Gestüt Famos GmbH, die bei Bremen ein edles Landgut mit Pferdezucht betreibt - doch auch das Gestüt steht seit einigen Monaten zum Verkauf. Insolvenzverwalter Hubert Ampferl fordert von dem Gestüt, das eine Reihe der erfolgreichsten deutschen Sportpferde hervorgebracht hat, derzeit vor Gericht 500.000 Euro zurück. Diese Gesamtsumme hatte Müller-Brot vor der Insolvenz in regelmäßigem Turnus an das Gestüt gezahlt.

Etwas aufatmen können die Gläubiger von Müller-Brot trotzdem. Immerhin hat die Insolvenzverwaltung kurz vor Weihnachten nach zähen Verhandlungen das ehemalige Produktionsgebäude in Neufahrn samt Erbbaurecht an Investoren aus dem Stuttgarter Raum verkauft. Über den Preis und den Namen des Käufers wurde Stillschweigen vereinbart. Der neue Eigentümer wird dort aber keine Semmeln backen, sondern das Gebäude zunächst vermieten, später entwickeln, also umbauen. Denkbar wäre etwa, dass ein Logistikunternehmen das weitläufige Gelände an der Autobahn nutzt.

Das Gebäude, in dem seit dem behördlich verhängten Produktionsstopp am 30. Januar 2012 nichts mehr gebacken worden ist, wird bis zum Frühjahr leer geräumt. Bei einer Internetauktion kamen im Sommer Dutzende Maschinen und Backutensilien unter den Hammer. Die umkämpfte und teure Semmelback-Linie 25 ist an einen türkischen Bäcker verkauft. Selbst die Silos, die das äußere Gesicht der Backfabrik geprägt hatten, sind demontiert und werden anderswo wieder errichtet.

Die Erlöse hätten seine Erwartungen übertroffen, sagte Insolvenzverwalter Ampferl, der die Summe nicht nennen möchte. Einnahmen hatte Ampferl auch schon unmittelbar nach der Insolvenz erzielt, als er Filialnetz und Markenrechte an die Müller-Höflinger GmbH verkaufte, die zunächst auch plante, die Neufahrner Bäckerei zurückzukaufen. Evi Müller ist die Tochter des Firmengründers Hans Müller, der vor etwa zehn Jahren den Betrieb an Ostendorf verkauft hatte.

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