Nach Großrazzia mit 400 Fahndern:Vier Zöllner und fünf Komplizen verhaftet

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Beamte sollen für unkorrekte Abfertigung von Waren rund 300.000 Euro Schmiergeld erhalten haben.

Bernd Kastner

Nach der Razzia gegen Zollbeamte und Mitarbeiter einer privaten Zollagentur sieht die Münchner Staatsanwaltschaft ihren Korruptionsverdacht bestätigt. Als Gegenleistung für die illegale Abfertigung von Waren sollen rund 300.000 Euro Schmiergeld an die Beamten geflossen sein, und das über einen Zeitraum von zehn Jahren. Vier Zöllner vom Amt Garching-Hochbrück und fünf Mitarbeiter der Agentur mit Sitz in Garching wurden verhaftet, erklärte der Chef der Staatsanwaltschaft, Christian Schmidt-Sommerfeld.

Großrazzia gegen den Zoll: Bereits am Dienstag hatten 400 Fahnder rund 80 Objekte im Raum München durchsucht. (Foto: Foto: ddp)

Am Dienstag hatten, wie berichtet, 400 Fahnder rund 80 Objekte im Raum München durchsucht, gegen 24 Personen werde ermittelt. "Es ist unsere Intention, eine Verbesserung sowie Kostensenkung Ihrer Im- und Exportvorgänge zu erreichen", steht auf der Internetseite der verdächtigen Firma. Zollagenturen wie diese werden in der Regel von Speditionen beauftragt, Abfertigungen ins Ausland zu managen.

"Wir erledigen alle Zollformalitäten in Ihrem Auftrag", wirbt die verdächtige Firma, die sich "Dokumentenservice" nennt und offenbar zu enge Kontakte zu den vier verhafteten Zöllnern pflegte. Diese arbeiten in der Außenstelle Messe des Zollamtes Garching-Hochbrück, das wiederum zum Hauptzollamt München gehört. Die Beamten und ihre mutmaßlichen Komplizen waren durch einen anonymen Hinweis vor gut einem Jahr ins Visier der Ermittler geraten.

30.000 Euro pro Jahr als Gegenleistung

Mit der Agentur sollen die Zöllner "gegen Bezahlung in besonderer Weise zusammengearbeitet" haben, so Schmidt-Sommerfeld. Nach den bisherigen Erkenntnissen sollen die Beamten seit 1998 Ausfuhranmeldungen abgestempelt haben, ohne, wie vorgeschrieben, die Waren zu prüfen. In einigen Fällen seien die verdächtigen Zöllner auch gar nicht zuständig gewesen, ihnen obliege nur die Abfertigung im Rahmen von Messeveranstaltungen.

Als Gegenleistungen für die offenbar erleichterte Abwicklung der Formalitäten flossen laut Staatsanwaltschaft pro Jahr rund 30.000 Euro in Form von Geld und Sachleistungen an die Beamten. Welche Waren tatsächlich ausgeführt wurden, sei bislang unbekannt. Strafrechtlich relevant seien nur die Vorgänge seit dem Jahr 2003.

Im Laufe der Ermittlungen habe sich der Verdacht erhärtet, dass Speditionen und Transportunternehmen aus dem Raum München die besonders guten Kontakte der Agentur zum Zoll ausnutzen. Insgesamt habe man rund 50 Speditionen ermittelt, "die diesen ,Service' in Anspruch genommen haben", so Schmidt-Sommerfeld. Gegen Mitarbeiter dieser Speditionen werde wegen Betrugs und Beihilfe zur Bestechung ermittelt. Wie viele dieser Speditionen in die illegalen Machenschaften verwickelt seien, sei noch unklar.

300 Kartons für den Abtransport

Bei den Durchsuchungen stellten die Ermittler neben einer "beachtlichen" Menge elektronischer Daten auch umfangreiche Geschäfts- und Zollunterlagen sicher. Für den Abtransport habe man knapp 300 Kartons benötigt. Die Haftbefehle wurden unter anderem erlassen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, Bestechung und Falschbeurkundung im Amt.

Seit Dienstag sitzen die neun Verdächtigen in unterschiedlichen Justizvollzugsanstalten. Zollsprecher Jürgen Wamsler wollte die Vorwürfe nicht kommentieren, da die Staatsanwaltschaft Herrin des Verfahrens sei. Er betonte aber, dass man "Gott sei Dank seit vielen, vielen Jahren" von Korruption verschont geblieben sei. Weitere Einzelheiten will die Staatsanwaltschaft frühestens in einer Woche veröffentlichen.

© SZ vom 11.07.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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