Nach Finanzkrise:BMW stoppt die Bänder

Die Absatzkrise zwingt 9000 Münchner Beschäftigte bei BMW zu einer fünftägigen Arbeitspause. Protest von Betriebsrat und Gewerkschaft bleibt bislang aus.

Otto Fritscher

Auch in München stehen bald die Bänder still: Der Autobauer BMW hat wegen der weltweit schleppenden Nachfrage für die kommende Woche einen Produktionsstopp im Stammwerk beschlossen - ein in der jüngeren Unternehmensgeschichte einmaliger Vorgang. Die 9000 Beschäftigten, die in Milbertshofen arbeiten, werden für fünf Tage nach Hause geschickt. Betriebsrat und IG Metall reagierten mit Verständnis auf die Fertigungspause.

BMW-Welt

Schluss mit Vollgas: Die glitzernde Fassade des Münchner Vorzeige-Unternehmens, im Bild die BMW-Welt, könnte nicht mehr ganz so strahlen, wenn Finanzkrise und Absatzflaute weiter anhalten.

(Foto: Foto: dpa)

"Unsere Mitarbeiter können Urlaub nehmen oder die Arbeitszeitkonten nutzen", sagt Jochen Müller, Sprecher des Münchner BMW-Werks. Niemand werde wegen des Produktionsstopps finanzielle Nachteile erleiden. "Es gibt keine Gehaltseinbußen, und es wird deswegen keine betriebsbedingten Kündigungen geben", sagt Müller. "Wir wollen flexibel auf die Nachfrage reagieren können. Das ist die Stärke unserer mit Gewerkschaft und Betriebsrat seit langem ausgehandelten Arbeitszeitmodelle", erklärt der Sprecher.

Im Werk München werden jährlich rund 200.000 Fahrzeuge der Dreier-Reihe gebaut. Dazu kommt die Motorenfertigung. Durch den Produktionsstopp werden etwa 5000 Autos weniger als geplant vom Band rollen.

Seit 1975 wird in München durchgehend produziert

Das Werk 1 ist das älteste Werk des Autobauers. Es wurde 1923 in Betrieb genommen, ursprünglich wurden dort Flugmotoren und Motorräder hergestellt. Das erste Auto lief dort 1951 vom Band, die Dreier-Reihe, das verkaufsstärkste Modell von BMW, wird seit 1975 in München durchgehend produziert. Ersim Buruncak - seit 20 Jahren bei BMW beschäftigt - kommt am Dienstagnachmittag gerade mit dem Roller zum Schichtbeginn. "Es ist bisher einfach zu gut gelaufen. Jetzt ist halt Schluss damit", sagt er.

Angst um den Arbeitsplatz habe er trotzdem nicht. "Auch meine Kollegen haben auf die Entscheidung ziemlich gelassen reagiert." Ein Arbeiter, der seinen Namen nicht nennen will, kauft sich am Kiosk neben der BMW-Welt Zigaretten. "Es wird schon seit einem Monat über einen Produktionsstopp spekuliert", sagt er. Und er wundert sich. "Die ganze Zeit laufen die Bänder volle Pulle, und jetzt plötzlich sollen keine Aufträge mehr da sein?"

BMW-Werker Ditmitri Grenz will keine Panik verbreiten: "Schauen wir mal, wie es weiter geht. Überall ist Krise, warum soll es da nicht auch uns treffen." Und er fügt lakonisch hinzu: "Naja, dann machen wir halt eine Woche frei." Gewerkschaften und Betriebsrat reagieren mit Verständnis auf die Entscheidung. "Das ist nicht besorgniserregend", erklärt Gabriele Schreyer, beim Konzernbetriebsrat für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Es sei ein "natürlicher Vorgang", so auf einen Volumenrückgang zu reagieren. "Es ist doch klar, dass man nicht auf Halde produzieren will."

Auch Horst Lischka, zweiter Vorsitzender der IG Metall in München, gibt sich eher gelassen: "Das ist nicht erfreulich, aber auch kein Horror." Der Ausfall mache nur zwei Prozent der Jahresarbeitszeit aus. Wichtiger ist dem Gewerkschafter, "dass keine Kurzarbeit im Raum steht."

"Ich befürchte, wir müssen uns warm anziehen"

Bei BMW gibt es Arbeitszeitkonten, die zwischen 300 Stunden im Minus und ebenso im Plus sein dürfen. Gibt es viel Arbeit, werden die Konten aufgefüllt, wird dagegen ein Produktionsstopp beschlossen, verrechnet man die ausfallende Arbeitszeit mit dem Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto. "In der Regel sind diese Konten gut gefüllt", sagt Müller.

Um das Weihnachtsgeld, das bei BMW bis zu 120 Prozent eines Monatsgehalts betragen kann, müsse sich niemand Sorgen machen, beruhigt Müller: "Das wird heuer ganz normal ausgezahlt." Allerdings kann der Sprecher nicht ausschließen, dass es nochmals zu einer Zwangspause kommen könnte, wenn Finanzkrise und Nachfrageflaute anhalten: "Dann müssen wir neu nachdenken."

Münchens Wirtschaftsreferent Reinhard Wieczorek zeigt sich beunruhigt: "Mich erfüllt das mit Sorge, ich befürchte, wir müssen uns warm anziehen." Für ihn mehren sich die Anzeichen, "dass wir in eine heftige Rezession gehen, die nicht nur den Finanzbereich treffen wird".

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