Nach eskalierter S-Bahn-Party in München:Wer ist der Schuldige im Schwarm?

Die Scherben sind zusammengekehrt, doch die Frage bleibt: Wer kommt für die Schäden nach dem eskalierten Abschiedstrinken in der S-Bahn München auf?

Ronen Steinke

Die Scherben nach der eskalierten Münchner S-Bahn-Party am Wochenende sind zusammengekehrt, die Frage bleibt: Wer bezahlt? Die Deutsche Bahn wird sie in den kommenden Wochen beantworten müssen. Rechtlich wird das nicht einfach. Facebook-Partys sind für Gerichte noch Neuland - die Initiatoren solcher Partys haftbar zu machen ist mehr als knifflig.

Wer haftet für die Schäden an S-Bahnen?

Wer eine Scheibe zerkratzt, muss sie bezahlen. Das ist der Grundsatz. Und das bedeutet: Wenn die Bahn als privater Geschädigter Schadensersatz einfordern will, muss sie sich zunächst an die vielen einzelnen Sachbeschädiger halten, die am Samstagabend inmitten des "Abschiedssaufens" zuschlugen. Diese Suche hat begonnen. Aber leicht wird sie nicht. Selbst mit Hilfe von Videoaufnahmen wird es schwierig sein, alle Täter zu identifizieren. Was die Frage interessant werden lässt, ob auch der Verfasser des Facebook-Aufrufs selbst in Haftung genommen werden kann.

Steht der Initiator des "Abschiedssaufens", also der Mensch hinter dem Facebook-Nickname "Jörni Voo", in einer Verantwortung für das Kollektiv?

"Rechtlich ist das noch nicht geklärt", sagt der Münchner Rechtsanwalt Jan Kuch, der auf Verwaltungsrecht spezialisiert ist. Vergleichbare Vorfälle gab es in Deutschland zwar schon. Erst im Juni hatte eine Jugendliche in Hamburg per Facebook zu einer harmlosen Geburtstagsparty eingeladen - als jedoch ganze 1500 Menschen kamen, entglitt der Polizei die Kontrolle. Die Facebook-Einladerin wurde damals nicht in Haftung genommen. Ein juristischer Präzedenzfall fehlt also bislang.

Kann der Facebook-Einlader wegen der vom ihm verursachten Delikte bestraft werden?

Nein. "Solange der Einlader nur zu einem friedlichen, legalen Besäufnis aufgerufen hat, kann man ihm schwerlich etwas vorwerfen", sagt Rechtsanwalt Kuch. Der Facebook-Einlader hatte nicht dazu aufgerufen, Züge zu beschädigen oder S-Bahn-Mitarbeiter zu bespucken. Die einzelnen Straftäter handelten also nicht auf eine zentrale Anstiftung hin - sondern eigenständig und, soweit man bisher weiß, spontan.

Hätte die Veranstaltung als Versammlung angemeldet werden müssen?

Kann die Bahn dem Facebook-Einlader zumindest die Rechnung für Reinigungskosten präsentieren?

"Zweifelhaft", sagt Hans Christoph Grigoleit, Professor für Bürgerliches Recht an der Ludwig-Maximilians-Universität. Ein Party-Vorschlag per Facebook sei nicht rechtswidrig und genüge nicht, um die "individuelle Verantwortlichkeit jedes Einzelnen für seinen Dreck" aufzuheben.

Müsste, wer ganz München zum öffentlichen Besäufnis auffordert, den Termin nicht als Versammlung anmelden?

Nein. Das Bayerische Versammlungsgesetz hat eine klare, nüchterne Vorstellung davon, was eine Versammlung ist: eine "Erörterung oder Kundgebung", bei der es um die Meinungsbildung über öffentliche Belange geht. Kurz: um Politik.

Die Benutzungsordnung des MVV mag für manche zwar ein Politikum darstellen. Die "Abschiedssäufer" zielten aber nicht darauf ab, die S-Bahn-Betreiber zum Umdenken zu bewegen. Sondern nur darauf, eine letzte Party zu feiern. Von einer reinen "Lustveranstaltung" sprechen Juristen da - das Bundesverfassungsgericht hat dies zuletzt am Beispiel der Berliner Love Parade durchdekliniert (und befunden, die Parade sei eine Lustveranstaltung par excellence). Und im Bayerischen Versammlungsgesetz findet sich über Lustveranstaltungen: nichts. Was manche für eine Gesetzeslücke halten.

Auf welchem Rechtsweg kann der Fall ausgefochten werden?

Die Bahn könnte den Facebook-Einlader vor einem Zivilgericht auf Schadensersatz verklagen. Der Fall würde dann spannend werden - denn Präzedenzurteile fehlen. Auch die Bundespolizei könnte versuchen, dem Facebook-Einlader eine Rechnung für den Polizeieinsatz auszustellen. Der müsste sich dagegen dann vor dem Verwaltungsgericht wehren.

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