Süddeutsche Zeitung

Nach der Sitzung der Untersuchungsausschusses:"Ein Abgrund von Lüge und Täuschung"

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Auch der Münchner CSU-Rathausfraktionschef Hans Podiuk belastet jetzt Monika Hohlmeier schwer. SPD und Grüne erneuerten ihre Rücktrittsforderungen.

bas/burt/kast/jbb

Erstmals hat auch ein führender Münchner CSU-Politiker Hohlmeier offen der Lüge bezichtigt. "Ein Abgrund von Lüge und Täuschung" offenbare sich im Untersuchungsausschuss, sagte Hans Podiuk, der Vorsitzende der Münchner CSU-Rathausfraktion.

Er erhob neue Vorwürfe gegen die Ministerin: Als er bereits im Dezember 2002 offensichtlich gefälschten Aufnahmeanträgen auf die Spur gekommen sei, habe ihn die Ministerin daran gehindert, gegen den Fälscher Maximilian Junker vorzugehen, sagte Podiuk der SZ. SPD und Grüne erneuerten ihre Rücktrittsforderungen.

Verflechtungen wurden deutlich

Als er Hohlmeier von seiner Absicht berichtet habe, gegen Junker und etwaige Hintermänner ein Parteiordnungsverfahren einzuleiten, habe sie ihm geantwortet: "Du leitest gegen niemanden etwas ein." Da, so Podiuk, "sind mir die Verflechtungen schon sehr deutlich geworden."

Mit seiner Aussage stellt Podiuk frühere Angaben Hohlmeiers als unwahr dar. Die Ministerin hatte öffentlich und im CSU-Bezirksvorstand stets bestritten, frühzeitig über Junkers Fälschungen informiert gewesen zu sein.

Entsprechende Aussagen Hohlmeiers hatte Podiuk bisher unkommentiert gelassen. "Das Problem war, dass bei diesen Gesprächen eben nur zwei Leute dabei waren: Frau Hohlmeier und ich."

Zum Abschuss frei gegeben

In der Münchner CSU gilt Podiuk schon deshalb als einer der schärfsten Kritiker Hohlmeiers, weil er von dem später verurteilten Jungstadtrat Christian Baretti von seinem Kreisvorsitz im Münchner Südosten gestürzt wurde. Auch dazu soll Hohlmeier laut Aussagen des ehemaligen JU-Chefs Rasso Graber ihre Zustimmung gegeben haben.

Der in die Münchner Wahlfälscher-Affäre verstrickte Zeuge Maximilian Junker hatte im Untersuchungsausschuss des Landtages Hohlmeier ebenfalls schwer belastet. Ihm zufolge war sie nicht nur Mitwisserin, sondern auch Dirigentin der Machenschaften.

Der Intrigen überdrüssig

In der CSU-Fraktion wurde gestern der Ruf laut, es müsse endlich wieder Ruhe einkehren. Falls Stoiber Ministerin Hohlmeier nicht entlasse, müsse sie nun von sich aus den Rückzug antreten, sagte ein Abgeordneter der SZ.

Ein anderer sagte: "Die Stimmung kippt massiv." Es zeige sich nun, dass die Münchner CSU-Kollegen Recht gehabt hätten.

Dagegen stellte sich der Ausschuss-Vorsitzende Engelbert Kupka hinter Hohlmeier. Er bezeichnete den Zeugen Junker als nicht glaubwürdig: Dessen Angaben stünden im Widerspruch zu anderen Zeugenaussagen. "Wir wollen im Wirrwarr widersprüchlicher Aussagen eine Spur der Wahrheit finden", sagte Kupka.

Hohlmeiers Rechtsbeistand Peter Huber bezweifelte die Angaben Junkers. Dessen Aussagen seien "unglaubwürdig" und bedeuteten keinesfalls Rückenwind für Rücktrittsforderungen. Er könne sich im Gegenteil über die "Blauäugigkeit" jener Staatsanwälte wundern, die Junker glaubten. Huber sagte weiter, Junker eigne sich nicht als Kronzeuge, da er offene Rechnungen begleichen wolle.

Geheuchelte Sorge um Schüler

SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter verlangte in Berlin die Entlassung Hohlmeiers. Die Ministerin müsse sich fragen lassen, ob sie glaubwürdig eine Politik auf Basis der zehn Gebote mache, sagte Benneter in Berlin. Schließlich sei "Du sollst nicht lügen" ein wichtiges Gebot.

Gleichzeitig griff Benneter Ministerpräsidenten Edmund Stoiber scharf an. Seine aktuelle Sorge um den Werte- und Religionsunterricht in den Schulen sei "blanke Heuchelei".

Rücktrittsforderungen wiederholt

Die Landtagsopposition verschärfte ihre Kritik an Hohlmeier. Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause sagte, Hohlmeier hat im Kabinett nichts mehr verloren: "Wer sich an derart üblen Machenschaften auf Kosten der Demokratie beteiligt und dann auch noch meint, sich mit dreistem Leugnen aus der Affäre stehlen zu können, ist als Ministerin nicht mehr zu halten."

SPD-Fraktionsvize Karin Radermacher bezeichnete den Zeugen Junker als glaubwürdig. Sie habe keinen Zweifel an dessen Aussagen über ein mitgehörtes Telefonat zwischen Hohlmeier und dem CSU-Abgeordneten Joachim Haedke.

SPD-Fraktionschef Franz Maget sagte, es gebe keine Chance mehr für einen Verbleib Hohlmeiers im Kabinett: "Es wäre das beste gewesen, Stoiber hätte sie vor einem Jahr entlassen."

Junker hatte zuvor berichtet, dass er bei einem laut gestellten Telefonat Äußerungen der Ministerin zum Mitgliederkauf in der CSU gehört habe. Hohlmeier habe dabei unter anderem gefragt, wie viel neue Mitglieder schon mit Geld geworben worden seien.

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SZ vom 15.4.2005
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