Nach der letzten Zigarette:Der Rauch legt sich

Die Aschenbecher sind abgeräumt: Seit diesem Sonntag gilt in Bayern das bundesweit strengste Rauchverbot. Ein Besuch im Valentin Stüberl, in dem bis Samstagmitternacht gequalmt wurde.

Kathrin Haimerl

Der Abend ist warm. Es ist der erste Tag, an dem für viele in Bayern eine neue Zeitrechnung begonnen hat. Das Valentin Stüberl in der Dreimühlenstraße ist leer, ein einziger Gast sitzt am Tresen. Dafür sind die Tische draußen voll besetzt. Es ist ein junges, buntgemischtes Publikum, viele kommen aus dem Viertel. Filip Cerny, der das Valentin Stüberl gemeinsam mit Jan Oltzhauer betreibt, schenkt Bier aus - Passauer Löwen-Bier. Bier aus der Heimatstadt von Sebastian Frankenberger, dem Initiator des Volksbegehrens für den rigorosen Nichtraucherschutz.

Nach der letzten Zigarette: Filip Cerny in seinem Valentin Stüberl: "Ein bisschen Menschenverstand hätte ich mir gewünscht."

Filip Cerny in seinem Valentin Stüberl: "Ein bisschen Menschenverstand hätte ich mir gewünscht."

(Foto: lok)

Auf Frankenberger ist Cerny nicht gut zu sprechen. Das Valentin Stüberl ist eine kleine Rauchereckkneipe in München, 40 Quadratmeter groß. "Das war schon immer ein Raucherlokal", sagt Cerny. Als "richtig, fertige Boazn" habe er das Stüberl vor acht Jahren übernommen.

Valentin Stüberl heißt es seit 30 Jahren und das hat Cerny auch beibehalten - gegen den Trend der unzähligen Lounges, die sich in München zur Jahrtausendwende gebildet haben.

Alles, sagt Cerny, habe er bei der Übernahme vor mehr als acht Jahren saniert. "Weißt du noch", sagt er zu dem Gast am Tresen. "Die Vorhänge, die waren richtig ekelhaft gelb vom Nikotin." Der Gast nickt. Arne Zuckschwerdt ist langjähriger Stammgast im Valentin Stüberl. Er hat Cerny geholfen, den Boden neu zu verlegen. Am ersten Tag des strikten Rauchverbots hängt in der Kneipe nicht der kalte Rauch vom Vortag. Die Luft ist rein, nur ab und zu zieht durch die Tür von draußen eine Rauchschwade rein.

Am Samstag um Punkt 24 Uhr hat Cerny die Aschenbecher im Valentin Stüberl zur Seite geräumt. So sieht es das Rauchverbot vor, das seither in Kraft ist. Ein Rauchverbot ohne Ausnahme. Auch nicht für Kneipen wie das Valentin Stüberl.

Zu Jahresbeginn 2010 hatte das Münchner Kreisverwaltungsreferat (KVR) 7831 konzessionierte Gaststätten in seinen Listen geführt, davon waren 10,7 Prozent Rauchergaststätten. 685 Lokale davon wiederum fielen unter die Regelung der "getränkegeprägten Gaststätten" oder waren kleiner als 75 Quadratmeter. So wie das Valentin Stüberl.

Jetzt ist dort Schluss mit dem Qualmen. Eine blonde Frau betritt das Valentin Stüberl, grüßt Filip und macht mit Zeige- und Mittelfinger vor dem Mund eine Bewegung. Dabei setzt sie ein flehendes Gesicht auf. Filip schüttelt den Kopf. Nein, dieses Mal ist er streng. Die Aschenbecher stapeln sich in seinem Büro und dort bleiben sie auch. "Dieses Mal ist es mir zu heikel", sagt Cerny.

Gegen Raucher und Wirte kann - abhängig vom Einzelfall - ein Bußgeld von fünf bis zu 1000 Euro erlassen werden, erklärte Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle. Außerdem werde das KVR stichprobenartig kontrollieren und auf soziale Kontrolle setzen.

Die Wirte nehmen die Kontrollankündigung des KVR ernst. Selbst die Betreiber einer Taverne im Glockenbachviertel haben die Aschenbecher beiseitegeräumt. Das Rauchverbot wurde in dem gemütlichen Restaurant bis zum Samstag locker gehandhabt. Ab 22 Uhr stellte der Inhaber oftmals die Aschenbecher auf die Tische. "Der Taverne wird natürlich etwas fehlen", sagt einer der Betreiber. "Meine Mentalität wird bestraft. Das ist hart." Aber er wolle keine gesetzlichen Strafen riskieren.

Die Wirte merken: Nun wird's ernst. Im Januar 2008, als das strikte CSU-Rauchverbot in Kraft trat, war das anders. Es war Winter, die Raucher mussten raus in die Kälte, die Gäste waren schlecht gelaunt. "Zwei Tage haben wir's durchgezogen", erzählt Filip Cerny vom Valentin Stüberl. Dann holte er die Leute wieder rein zum Rauchen. Er investierte in die Kneipe, installierte teure Luftreiniger. Für die Stammgäste überlegte er sich eine Alternative zu den damals aufkommenden Raucherklubs: Er verkaufte seinen Gästen Schlüssel zu seiner Kneipe, investierte zusätzlich in teure Sicherheitsschlösser an der Tür.

Alles Ideen und Investitionen, die Cerny vor dem Nichtraucherschutz-Volksbegehren umsetzte. Wenn der Wirt, der sonst zurückhaltend und ruhig erzählt, auf den Initiator Sebastian Frankenberger zu sprechen kommt, dann wird er wütend. "Ein bisschen mehr Menschenverstand hätte ich mir gewünscht", sagt er. Und: "Warum nimmt man den kleinen Bierschuppen, die seit zwanzig Jahren nichts anderes machen, die Existenz weg?"

Eine solche Kneipe ist die Geyerwally in der Geyerstraße nicht weit vom Valentin Stüberl am Rande des Glockenbachviertels. Am Eingang hängt ein Schild, das Sebastian Frankenberger zeigt. "Ich darf hier nicht rein", steht darüber geschrieben. An diesem Sonntag kommt auch sonst keiner rein. Denn die Fenster sind dunkel, die Kneipe hat an Sonn- und Feiertagen geschlossen.

Bezüglich der Zukunft des Valentin Stüberls indes gibt sich Stammgast Arne Zuckschwerdt zuversichtlich. Er selbst ist Nichtraucher, findet den Volksentscheid "bekloppt", gibt aber zu, dass er die reine Luft drinnen durchaus genießt. "Ich bin mir sicher, dass sich das einpendeln wird", sagt er mit Blick auf möglicherweise ausbleibende Stammgäste. "Mitleid mit dem Wirt habe ich jedenfalls keins", sagt er und zwinkert Filip zu. "Ihr macht das schon."

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