Mythos Bayern:Die Verzerrung der Idylle

Schöne Sennerinnen, Isar-Flößer und Schützenkönige - Bayern wird seit Jahrhunderten von seiner romantisch-verklärten Seite gezeigt. Doch wie sieht die Wirklichkeit aus? Das Stadtmuseum hat sich auf die Suche nach dem "Mythos Bayern" gemacht.

Von Lisa Sonnabend

In Bayern tanzen die Leute Schuhplattler, trinken Bier, gehen auf die Jagd und besuchen die Messe. Doch Wirklichkeit und Dichtung lassen sich bei dieser Idylle nicht immer trennen - wie das Münchner Stadtmuseum in seiner neuen Ausstellung zeigt.

Mythen: Sie enthüllen in neuen Verhüllungen und wirken als bleibende Gestalten. So auch in Bayern: Die schicksalhafte Begegnung zwischen Jäger und Sennerin beschworen die Maler im 18. Jahrhundert herauf. Die schöne Sennerin galt als "Aphrodite der Berge". Doch stiegen echte Jäger zu einer Alm auf, waren sie meist enttäuscht vom Anblick und von der harten Arbeit dort. Die Wirklichkeit ist anders. Mythos Bayern.

Der König als guter Jäger

Eine Gams hängt an der Wand im Stadtmuseum - die Hundertste, die König Maximilian II. im Jahr 1859 "mit eigner Hand" erlegt hat. Ist das die Wahrheit? Naja, schwer ist es nicht, Gämse zu schießen, wenn man wie der König auf der Jagd zahlreiche Helfer hat, die das Gewehr nachladen. Dann genügt es, nur noch auf das Rudel Gämse zu zielen. Wieder ein Mythos: Der König als erfolgreicher Jäger.

Sagenhafte Figuren tauchen auf, die nur in der Fantasie der Menschen lebten: Der Schmied von Kochel wurde einst gefeiert, zum Nationalhelden gemacht wegen seiner Heimatliebe im spanischen Erbfolgekrieg; sogar ein Theaterstück handelt von ihm - obwohl es ihn nie gegeben hat.

Rund 1.000 Exponate gibt es im Stadtmuseum zu sehen: Trachtengewänder, Hüte, Mieder, Ranzen und Bierkrüge. Bilder mit typischen Szenen - auf den Bergen, auf dem Lande, bei der Kirchweih, im Kinderzimmer, im Wirtshaus.

Die Bavaria, die kolossale Personifikation Bayerns, kommt immer wieder vor. Eine Bierreklame aus dem Jahr 1910, bei der Bavaria während des Oktoberfestes von ihrem Sockel steigt und einem durstigen Löwen eine kühle Maß einschenkt oder ein 27 Zentimeter großer Bierhumpen, der einem Finger der Bavaria nachgebildet ist - fast groteske Gegenstände.

Die Ausstellung sei so gestaltet, dass sich jeder Besucher sein eigenes Bild von Bayern machen könne, erklärt Ausstellungsleiter Helmut Bauer. "Wir wollen den Besuchern das Gefühl vermitteln, in einem alten verstaubten Speicher herumzustöbern", erklärt er.

Verschiedene Quellen inspirierten Bauer bei der Vorbereitung der Sammlung: Die Texte der Schriftsteller Lena Christ und Karl Valentin, der Blick vom Turm des Münchner Alten Peter und Spaziergänge durch bayerische Dörfer.

Nationaltracht und Heimatabende

Eine beachtliche Sammlung hat Bauer zusammengetragen - obwohl die Herkunft der Gegenstände auf München und das südliche Oberbayern beschränkt ist. Die ältesten Exponate stammen aus dem Jahr 1806, als Bayern Königreich wurde und sich ein Heimatgefühl entwickelte. Nationaltracht und Heimatabende haben die bayerische Tradition im 19. Jahrhundert gestärkt.

Sogar heute noch lebt der Mythos Bayern fort - auch wenn die meisten Frauen das Dirndl nur noch zur Wiesn anziehen und im Bauernschrank inzwischen eine Stereoanlage steht.

Die Ausstellung im Stadtmuseum (St.-Jakobs-Platz 1) ist vom 17. September 2004 bis zum 27. März 2005, Dienstag bis Sonntag jeweils von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

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