Mythen in Film und Theater:Wer in München unsterblich ist

Lola Montez, 1844

Die kolorierte Lithographie von 1844 zeigt die Geliebte von Bayerns König Ludwig I., Lola Montez, in einem spanischen Tanzkostüm (undatierte Aufnahme).

(Foto: DPA)

Lola Montez und Rudolph Moshammer im Theater, Ludwig II. im Kino: Warum schauen wir uns das immer wieder an? Und was hat es mit dem Dackel auf sich? Eine Typologie der Unvergänglichen.

Von Christian Mayer

München ist eine Stadt, die sich schon immer gut mit ihrer Geschichte arrangiert hat. Obwohl sie ja längst als Hightech-Kapitale gilt, in der sich russische Investoren wie zu Hause fühlen, dominiert doch auch die Neigung, es sich in der Vergangenheit wie in einer schönen Altbauwohnung gemütlich zu machen. In der Architektur, bei Volksfesten, auch in der Kunst blickt man gerne zurück auf altbekannte Vorbilder, auf Figuren mit Münchner Ausstrahlung. Auffällig ist diese Tendenz im Film und im Theater: Lola Montez, König Ludwig II., Franz Josef Strauß oder auch Rudolph Moshammer sind immer ein Drama wert. Ein kleiner Überblick über Münchner Legenden, die in keinem Repertoire fehlen dürfen.

Lola Montez

Eine Frau als ewige Provokation. Tänzerin, Hochstaplerin, Verführerin, freiheitsliebende Mätresse, verhasste Muse: Seit Lola Montez König Ludwig I. bei einem Auftritt im Hof- und Nationaltheater verzauberte und einen Krawall auslöste, ist sie eine Kultfigur. Allerdings bleibt jede Lola-Montez-Inszenierung ein Risiko.

Schon Max Ophüls musste das 1956 erfahren, als das Pariser Publikum seinen ersten Farbfilm ausbuhte - die populäre Hauptdarstellerin Martine Carol zeigte für den französischen Geschmack zu wenig Busen. Das Deutsche Theater in München hat das Musical von Peter Kreuder immer mal wieder hervorgekramt - mit wechselndem Erfolg.

Nun versucht sich das Residenztheater mit einer Neuinszenierung, ganz stilecht im historischen Cuvilliés-Theater. Mal sehen, was die fesche Lola im Jahr 2013 noch zu bieten hat. Es kann ihr aber eigentlich gar nichts passieren: Unsterblich ist sie schon.

Ludwig II.

Mal ehrlich: Der neue Kinofilm über König Ludwig II., ein Prestigeprojekt der Bavaria, ist ja ganz nett. Als Kulissen- und Kostümspektakel bestens geeignet, um Romantiker zu beglücken. Das 19. Jahrhundert als Hochglanz-Soap.

Trotz guter Schauspieler kommt der Film von Peter Sehr und Marie Noëlle nicht gegen die Verrücktheit an, die Luchino Visconti 1972 vorgegeben hat. Helmut Berger in der Rolle des zum Anbeten schönen, schüchternen, schmachtenden Königs: Dieses Seelendrama setzte Maßstäbe.

Kini-Kult und Kini-Kitsch sind seitdem nur noch befördert worden. Ludwig lebt: auf Tassen, T-Shirts, Teebeuteln und in der Phantasie der Betrachter.

Adele Spitzeder

Die gebürtige Berlinerin Adele Spitzeder (1832-1895) versuchte sich zunächst als Schauspielerin und verkehrte bald in den besseren Kreisen. So was war in München früher schon kostspielig, deshalb entwickelte die Dame eine innovative Methode, um gutgläubige Anleger um ihr Geld zu bringen: Sie gründete ihre eigene Bank in der Dachauer Straße, wo sie absurd hohe Zinsen in Aussicht stellte.

Ein Schneeballsystem, das einige Zeit funktionierte, weil wegen des großen Andrangs immer frisches Kapital da war. Doch nicht mal im Fernsehen kann so etwas gut enden. Der Fassbinder-Vertraute Peer Raben hat den Stoff 1972 verfilmt, mit Ruth Drexel als Spitzeder

Auf dem Höhepunkt der globalen Bankenkrise konnte auch Regisseur Xaver Schwarzenberger nicht widerstehen: In der aktuellen Fernsehfassung von 2011 spielt Münchens neuer Theaterstar Birgit Minichmayr die Hauptrolle und Sunnyi Melles die Mutter der Anlagebetrügerin.

Karl Valentin

Im Originalton bleibt Karl Valentin einzigartig - man kann die achtteilige CD-Box des Trikont-Verlags gar nicht oft genug anhören. Regisseur Jo Baier hat trotz aller Schwierigkeiten, den richtigen Ton zu treffen, 2008 einen ordentlichen Film hingekriegt.

Mit Johannes Herrschmann gab es sogar einen spindeldürren Darsteller mit valentineskem Charme, und Hannah Herzsprung ist zwar ein wenig zu schön, um Liesl Karlstadt zu verkörpern, aber eine gute Schauspielerin. Die Liebesgeschichte nimmt breiten Raum ein, doch manchmal blitzt auch Münchner Humor auf.

Halbseidene Figuren und der ewige Rausch

Der Stenz

Viele Münchner wären gerne wie er. Sie geben sich cool, setzen beim Flirten auf die alten Tricks, kennen seine Sprüche auswendig. Manche tragen sogar ein T-Shirt mit dem Porträt ihres Helden. Dabei ist der Stenz, jene halbseidene Figur aus der Münchner Vorstadt, keine Erfindung des Regisseurs Helmut Dietl: Der Stenz war schon immer da, aber nirgendwo konnte er sich so herrlich austoben wie in den Fernsehserien "Monaco Franze" und "Kir Royal".

Halbseidene Figuren und der ewige Rausch

Mythen in Film und Theater: Im Laden 'Servus Heimat' im Stadtcafe haben sie sich versammelt, die Münchner Mythen.

Im Laden 'Servus Heimat' im Stadtcafe haben sie sich versammelt, die Münchner Mythen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Als Stenz denkt man immer an die schönen Dinge: Es gibt ja draußen auf der Straße so viel zu entdecken. Und so viele Frauen. Völlig harmlos ist so eine Existenz als Stadtabenteurer jedoch nicht: Hinter dem schönen Schein tun sich Abgründe auf.

Das Oktoberfest

Im Vergleich mit dem echten Erlebnis sind Filme über das Oktoberfest immer ein wenig schal, obwohl es so viele gibt, dass man ein ganzes DVD-Regal füllen könnte. Dokumentarfilme, Krimis, Komödien: Die Wiesn ist ein weites Feld, der Rausch ein ewiges Thema. Manchmal lohnt es sich aber doch, die irre Wirklichkeit dramatisch zu verdichten.

Im Bühnenstück von Ödön von Horváth aus dem Jahr 1931 feiern die Menschen mitten in der größten Wirtschaftskrise. Was bleibt ihnen denn übrig, als sich das Leben schön zu trinken? "Kasimir und Karoline" erzählt die Geschichte eines Paares, das sich auf der Wiesn verliert. Der Mann ist arbeitslos und frustriert, die Frau lebenslustig und kontaktfreudig, das führt zwangsläufig zu allerlei Verwicklungen. "Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich", heißt es bei Horváth.

In der Kino-Neuverfilmung zeigt Ben von Grafenstein das ewige Tollhaus im Trachten-Outfit, Christina Hecke und Golo Euler spielen die Hauptrollen. Nicht ganz so gut wie das Original, aber okay.

Franz Josef Strauß

So wie Franz Josef Strauß polarisierte kein anderer: Die einen verehrten ihn als rhetorisch brillanten Kraftpolitiker, die anderen trugen "Stoppt-Strauß"-Plaketten. Dazwischen gab es nichts, nur einen Graben. Doch inzwischen hören selbst altlinke Ex-Gegner die CDs mit den Reden des Großen Vorsitzenden, sie erfreuen sich an den Flüchen und Verwünschungen, die Franz Josef Strauß immer auch mit seiner humanistischen Bildung würzte. So einer gehört auf die Bühne!

Grandios ist die Darstellung des Münchner Kabarettisten Helmut Schleich, der als Wiedergänger des CSU-Ministerpräsidenten fast noch straußhafter ist als sein kurzhalsiges Vorbild. Exzentrischer und gemeiner ist das Drama "Halali - ein Mann in seinem Widerspruch", das 2011 am Residenztheater Premiere hatte. In dem Stück von Albert Ostermaier ist Strauß nicht nur eine Person, die spaltet, sondern auch eine gespaltene Persönlichkeit. FJS-Fans dürften von dieser Aufführung enttäuscht gewesen sein. Geht man so mit Legenden um?

Rudolph Moshammer

Wie schmerzlich wird der Modemacher aus der Maximilianstraße doch vermisst: von verzweifelten PR-Frauen, die seinen Namen nicht mehr auf jede Gästeliste schreiben können. Von Touristen, die seine Boutique zum Wallfahrtsort machen. Von Obdachlosen, die auf seine Unterstützung zählen konnten. Rudolph Moshammer verkörperte ein München-Bild, das so klischeebeladen war, dass es rätselhafterweise wieder genau zutraf: Was wäre diese Stadt ohne ihre Exzentriker?

Auch nach Moshammers Abgang von dieser Welt findet er keine Ruhe, das Theater liebt ihn noch immer. Die Neuköllner Oper widmete Moshammer 2007 ein eigenes Musikdrama, das streng genommen eine Farce war. Viel besser ist die neue Version von Elfriede Jelinek, die Johan Simons gerade an den Kammerspielen inszeniert hat: "Die Straße. Die Stadt. Der Überfall" heißt das Stück. Und Benny Claessens spielt die Hauptrolle auf so grandiose Weise, dass man an Wiedergeburt glauben muss.

Der Dackel

Eigentlich hätte er schon lange einen großen Kinofilm verdient. Schließlich hat er Münchner Geschichte geschrieben: Als erstes olympisches Maskottchen 1972. Dackel Waldi sah so lieb aus, so gemütlich, so harmlos. Otl Aicher, der geniale Designer, hatte einen bunten Idealvierbeiner geschaffen. Seitdem ist dieser sympathische Darsteller trotz der Bemühungen des Münchner Dackelvereins im Stadtbild eher auf dem Rückzug. Sogar Rudolph Moshammer bevorzugte Yorkshire-Terrier für seine Daisys.

Nur einmal durfte der Lieblingshund der Münchner eine Nebenrolle spielen, aber den Fernsehfilm "Mein Nachbar, sein Dackel & ich" muss man sich nicht merken. Dafür gibt es den Münchner Dackel im Souvenirshop - gleich neben Ludwig II. und Karl Valentin.

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