Süddeutsche Zeitung

Mysteriöser Vermisstenfall in München:Seit 17 Jahren spurlos verschwunden

In einer Nacht im April 1995 verschwindet die damals 19 Jahre alte Sonja Engelbrecht. Bis heute ist sie nicht wieder aufgetaucht. Nun soll ihr Fall aufgerollt werden. In einer Sondersendung von "Aktenzeichen XY ... ungelöst".

Florian Fuchs

Es ist einer der mysteriösesten Vermisstenfälle Münchens, und noch immer ist die junge Frau, die seit damals nicht mehr gesehen wurde, nicht wieder aufgetaucht: In einer Nacht im April 1995 verschwindet die damals 19 Jahre alte Sonja Engelbrecht, ein Freund sah sie zuletzt am Stiglmaierplatz. Die Polizei geht von einem Tötungsdelikt aus, hat bis heute keinen Hinweis, was mit der Frau passiert sein könnte. Die Eltern wollen die Hoffnung nicht aufgeben, noch Jahre nach dem Verschwinden heben sie alle Zeitungsartikel, alle Korrespondenz mit Ermittlern und Politikern auf und machen in zahlreichen Auftritten im Fernsehen auf den Fall aufmerksam.

In einer Sondersendung von "Aktenzeichen XY ... ungelöst" am Mittwoch in einer Woche, in der Vermisstenfälle von Kindern vorgestellt werden, soll nun auch noch einmal das Verschwinden von Sonja aufgerollt werden - um vielleicht, nach all den Jahren, doch einen Hinweis auf den Verbleib der damals noch so jungen Frau zu erhalten.

Die Nacht war ziemlich kalt, als die Schülerin am 11. April verschwand: Es war ein Dienstagmorgen, als sich ein Freund hastig von ihr verabschiedete, weil die Tram der Linie 20 gerade einfuhr, die er noch erwischen wollte. Das letzte Bild seiner ehemaligen Schulkameradin, erzählte er in Vernehmungen bei der Polizei, habe sich bei ihm eingebrannt: Sonja, wie sie um 2:30 Uhr in einer Telefonzelle an der Ecke Nymphenburger Straße und Seidlstraße stand, gekleidet in schwarzer Dark-Waver-Kluft, mit Lederhose, Lederjacke, Pulli, Schaftstiefeln, einem Amulett um den Hals und einem Ring im rechten Nasenflügel.

Die 19-Jährige habe ihre drei Jahre ältere Schwester Sylvia in Laim anrufen wollen, um sich abholen zu lassen. Der Anruf aber, er kam nie bei der Schwester an. Den Ermittlungen zufolge hatte Sonja Engelbrecht Ausweis, Führerschein, Hausschlüssel und 1,20 Mark bei sich. Am Mittwoch meldeten die Eltern ihre Tochter als vermisst.

Die Polizei richtet eine Sonderkommission mit sechs Mordermittlern und Vermisstenfahndern ein und vernimmt 80 Freunde, Bekannte und Verwandte, auch Prostituierte und Freier des nahegelegenen Drogenstrichs in der Gegend am Hauptbahnhof. 40 Seiten mit Unterlagen über den Fall sammeln die Polizisten in Ordnern, sie notieren jede Information: Das Tilt, das Flex und das Backstage sind Clubs, die Sonja gern besuchte. In der Nacht, kurz vor ihrem Verschwinden, war sie spontan mit ihrem ehemaligen Schulkameraden ins Vollmond an der Schleißheimer Straße gegangen, dann mit ihm zusammen in die Wohnung zweier Zufallsbekanntschaften in Schwabing. Man hörte Musik und trank angeblich nur Orangensaft. Dann geht es zum Stiglmaierplatz: Beim Austreten in einem Gebüsch habe sich Sonja auf dem Weg beobachtet gefühlt, gibt ihr Begleiter später zu Protokoll.

Die Kriminalpolizei stuft die Aussagen als glaubwürdig ein. Eine Entführung, ein Sexualverbrechen: Die Ermittler gehen davon aus, dass Sonja tot ist, beweisen können sie das allerdings nicht. Die Eltern sind verzweifelt, geben die Hoffnung aber nicht auf. Sie stellen eigene Nachforschungen an und wenden sich an die Öffentlichkeit: Von "Bitte melde dich" über "Hans Meiser" bis hin zu "Fliege" treten sie in vielen Sendungen auf, einen entscheidenden Hinweis auf den Verbleib ihrer Tochter erhalten sie nie. Nun, 17 Jahre nach deren Verschwinden, gibt es in "Aktenzeichen XY" einen neuen Anlauf.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2012/sonn
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