MVV:Wie wir künftig Fahrkarten bezahlen könnten

MVV

Das Tarifsystem soll reformiert werden - Verlierer wären Fahrgäste mit Wochen- oder Monatskarten.

(Foto: Symbolbild/dpa)
  • Das MVV-Tarifsystem soll einfacher gestaltet werden.
  • Damit sollen Preissprünge an den Zonengrenzen abgemildert und Verbilligungen für Senioren und sozial Schwache geschaffen werden.
  • Um das zu finanzieren, müssten andere Fahrgäste mehr zahlen.

Von Marco Völklein

Die Stadt, der Freistaat und die Landkreise im Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) streben eine grundlegende Reform des Tarifs an. Unter anderem soll das System einfacher werden, der neue Tarif soll auch die Preissprünge an den Zonengrenzen abmildern. Es soll verbilligte Tickets für Ältere und sozial Schwache geben.

Kunden sollen nicht nur Fahrscheine am Automaten ziehen können, vielmehr sollen Systeme jede Fahrt per Smartphone erfassen und anschließend automatisch abrechnen. Ziel sei es, die Preisstruktur zum "modernsten Tarifsystem in Deutschland zu entwickeln", wie es der Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß (CSU) formuliert, der Sprecher der acht MVV-Landkreise.

2017

sollte eigentlich das Jahr werden, zu dessen Ende hin der Betrieb der S-Bahn neu ausgeschrieben wird. Nun aber zeichnet sich ab, dass der bestehende Vertrag verlängert wird und eine Ausschreibung deutlich später kommt. Allerdings wird der neue Vertrag dann wohl zu anderen Bedingungen geschlossen: Denn CSU, Grüne und Freie Wähler haben die Staatsregierung dazu verdonnert, einen Bruttovertrag zu schließen. Der künftige Betreiber erhält somit nur noch einen fixen Betrag für den laufenden Betrieb, die Fahrgeldeinnahmen fließen komplett an den Freistaat. Landtags-Vizepräsident Reinhold Bocklet (CSU) hofft, dass so künftig bis zu 50 Millionen Euro zusätzlich in die S-Bahn gesteckt werden können.

Aus Sicht von Fahrgastverbänden ist das auch dringend nötig. So hatte der Verkehrsclub Deutschland (VCD) in einer Analyse vor Jahren 26 verschiedene Ticketarten im MVV gezählt, während Nürnberg auf 16 kam, der Verbund im österreichischen Vorarlberg auf elf. Zudem forderte der Verband, die Tickets nach 9 Uhr deutlich billiger zu machen, um das Fahrgastaufkommen besser zu verteilen.

Was nun erarbeitet werden soll

Zumindest Teile dieser Kritik greift der MVV nun auf. "Ich möchte, dass untersucht wird, wie wir zu einem einfacheren und gerechteren Tarif kommen", sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Bis spätestens Mitte Januar sollen nun Fachbüros mit der Erarbeitung eines Grobkonzeptes beauftragt werden. Dieses soll bis Ende 2016 vorliegen. "Die Umsetzung soll in den nächsten fünf bis zehn Jahren erfolgen", heißt es in einem Papier des MVV. Niedergesäß zumindest will Tempo machen: "Im Jahr 2018 oder 2019 muss das Paket verabschiedet sein."

Mit dem neuen Tarif will er die "Zutrittsschwellen zum Nahverkehr möglichst gering halten", um mehr Gelegenheitsnutzer zum Umstieg vom Auto auf Busse und Bahnen zu bewegen - etwa durch die Handy-Abrechnung. So könnte künftig das Smartphone erkennen, an welchen Haltestellen ein Kunde ein- und aussteigt, den Fahrpreis automatisch berechnen und vom Konto abbuchen.

Solche "E-Ticketing-Systeme" sollen die Fachleute in ihre Konzepte einarbeiten; zugleich aber auch die datenschutzrechtlichen Fragen klären. Außerdem sollen die Experten einen "kilometrischen" Grundtarif entwickeln, sodass der Kunde "nur für die Kilometer zahlt, die er auch tatsächlich fährt", wie Niedergesäß sagt. Er hofft, damit auch die oft beklagten Preissprünge an den Zonengrenzen zu entschärfen.

Allerdings macht die große Zahl an Anforderungen diese Reform extrem komplex. "Mir ist klar, dass das keine leichte Aufgabe ist", räumt Reiter ein. So soll das neue Preissystem nach den Vorstellungen der Gesellschafter Senioren und sozial Schwächeren günstigere Tickets bieten sowie Jugendlichen spezielle Angebote unterbreiten - dies aber aus dem Tarif selbst finanzieren. Zuschüsse von Stadt, Freistaat oder den Landkreisen soll es keine geben.

Wie die Finanzlage aussieht

Zugleich sind sich alle einig, dass die Verkehrsunternehmen im Verbund, also vor allem die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) und die Deutsche Bahn, "nicht schlechter gestellt werden" dürfen. Ziel sei es, die "Tarifergiebigkeit", also das Niveau der Fahrgeldeinnahmen, mindestens zu halten, wenn nicht sogar zu erhöhen. Pendler und "Normalkunden" werden also über ihre Fahrscheine günstigere Senioren-, Jugend- oder Sozialtickets subventionieren. All dies muss in dem neuen Tarifwerk austariert werden.

Am Ende könnten sogar die neuen MVV-Preise deutlich über den jetzigen liegen - zumindest für die Nutzer von Wochen- und Monatskarten. Denn die MVV-Gesellschafter haben das aus ihrer Sicht "ungenügende Tarifniveau im Zeitkartensegment" als "Schwachstelle" erkannt, wie es in dem Papier heißt. Immer wieder beklagen MVV-Verantwortliche, dass das Münchner Preisniveau verglichen mit dem in anderen Regionen zu niedrig sei.

Fahrgastverbände bestreiten dies. Einig sind sich indes fast alle, dass die öffentliche Hand die Zuschüsse für den Nahverkehr stetig kürzt und die Finanzlage immer prekärer wird. Deshalb suchen die Verantwortlichen nach neuen Geldquellen. Und da bleibt, wenn vom Steuerzahler weniger kommt, oft nur der Fahrgast.

Reiter ist dennoch "zuversichtlich, dass uns eine Verbesserung gegenüber dem Status Quo gelingen kann". Um das Ganze nicht noch komplizierter zu machen, als es eh schon ist, haben die Gesellschafter darauf verzichtet, die Tarifreform mit einer anderen Baustelle zu verknüpfen: der Ausdehnung des MVV über seine Grenzen hinaus. So gibt es seit Längerem die Idee, einen neuen Großverbund für die Metropolregion München zu schaffen. In diesen wären auch Augsburg, Ingolstadt oder Rosenheim integriert.

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