MVV-Tickets:Landräte lehnen Tariferhöhungen ab

Fahrkartenautomat

Im Schnitt sollen die MVV-Fahrkarten um 3,6 Prozent teurer werden, Tickets für Pendler gar um 5,9 Prozent. Darum gibt es nun Streit.

(Foto: Günther Reger)

Die teureren MVV-Tickets sollen vor allem Pendler treffen. Das verärgert die Landräte, sie wollen gegen die Tariferhöhungen stimmen. Damit wächst der Druck auf Dieter Reiter.

Von Dominik Hutter

Bei der geplanten MVV-Tariferhöhung sollen offenbar die S-Bahn-Pendler überproportional zur Kasse gebeten werden. Nach SZ-Informationen ist vorgesehen, die Tarife für lange Strecken prozentual stärker anzuheben als die für Touren innerhalb Münchens - um bis zu 5,9 Prozent. Im Umland herrscht deshalb helle Aufregung. Die Landräte wollen nach Auskunft ihres Sprechers Robert Niedergesäß (Ebersberg) in der MVV-Gesellschafterversammlung am Freitag gegen das Modell stimmen, auf das sich Stadt und Freistaat bereits geeinigt haben.

Eine solche Eskalation ist eine Premiere in der Geschichte des MVV. Bisher wurden alle Tariferhöhungen einstimmig verabschiedet. Die Landkreise verfügen jedoch nur über acht Stimmen in der Versammlung, während Stadt und Freistaat jeweils zehn haben.

Dass Tariferhöhungen für einzelne Fahrscheine unterschiedlich hoch ausfallen, ist normal - die aktuell zur Debatte stehenden 3,6 Prozent sind lediglich ein Durchschnittswert. Schon die runden Summen, die für die Fahrscheinautomaten erforderlich sind, haben unterschiedlich große Tarifsprünge zur Folge. Zudem wird die Belastung normalerweise verteilt - in manchen Jahren müssen Gelegenheitsfahrer, in anderen die Abo-Kunden stärker bluten.

Die Landkreise wollen es auf einen Eklat ankommen lassen

Was nun geplant ist, ist aus Sicht der Landkreise aber inakzeptabel. Es sei "völlig unfassbar, dass die Bürger in den Landkreisen die Zeche zahlen müssen", schimpft der Dachauer Landrat Stefan Löwl, sein Ebersberger Kollege Robert Niedergesäß nennt die Pläne "eine absolute Frechheit". Münchens OB Dieter Reiter, so Löwl, habe bei seinen Bemühungen, die anfangs diskutierte Erhöhung von sechs Prozent abzuwehren, die volle Unterstützung der Landkreise genossen.

Im Gegenzug erwarte man aber auch umgekehrt Unterstützung aus dem Münchner Rathaus. Den Landkreisen ist bewusst, dass sie leicht überstimmt werden können. Sie wollen es aber auf einen Eklat ankommen lassen, wenn kein für alle Seiten tragbarer "Last-Minute-Kompromiss" mehr zustande kommt. Die bisherige Einigkeit bei Tariferhöhungen sei ein hohes Gut, das nun unnötigerweise in Frage gestellt wird, so Löwl.

Reiter will dennoch hart bleiben. Die Landkreise mit ihrem vergleichsweise bescheidenen MVV-Angebot hätten schließlich deutlich weniger Kosten als die Stadt München.

Nach SZ-Informationen ist das überproportionale Plus auf den S-Bahn-Außenästen Teil eines langfristig angelegten Plans. Es gehe nicht darum, eine Art Sonderopfer aus der Region zu verlangen, versichert ein Insider. Vielmehr würden mit dem jetzt diskutierten Modell peu à peu bislang bestehende Vergünstigungen für lange Strecken abgeschmolzen.

Das derzeitige Preissystem gilt als verkehrspolitischer Unfug

Derzeit gilt das Prinzip: Je länger die Tour, desto geringer ist der Fahrpreis je Kilometer. Diese (freilich bei den meisten Verkehrssystemen übliche) "Subvention" hat an den Endstationen unangenehme Folgen: Sie vergrößert die Differenz zwischen dem MVV-Tarifsystem und den nach außen anschließenden Regionalzug-Preisen, die Regionalbahn wird unattraktiv. Viele Langstrecken-Pendler steigen deshalb nicht mehr am nächstgelegenen Bahnhof in den Zug, sondern fahren mit dem Auto bis zum S-Bahn-Endpunkt. Dort nehmen sie dann genau den Zug, den sie wenige Kilometer zuvor noch verschmäht haben.

Dies gilt als verkehrspolitischer Unfug, darum soll die Differenz zwischen den Preissystemen kleiner werden. Sehr große Tarifsprünge an den MVV-Außengrenzen wären aber auch ein Problem, falls das MVV-Gebiet - wie aktuell diskutiert - erweitert wird. Denn sie müssten zugunsten des günstigeren Verbund-Tarifsystems abgeschafft werden - was Mindereinnahmen bei der Deutschen Bahn oder den anderen Regionalzuganbietern zur Folge hat.

In den Landkreisen wurde die Tariferhöhung von Anfang an misstrauisch beäugt. Denn MVG und Bahn begründen das aktuelle Defizit in ihren Kassen mit dem neu eingeführten Semesterticket und der flexiblen Gültigkeitsdauer von Abo-Karten. Letzteres wollen die Landräte aber erst seriös nachgewiesen sehen - und fürs Semesterticket müsse die Stadt einspringen.

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