Öffentlicher Nahverkehr:Der MVV soll weit ins Grüne fahren

MVV Bus bei Taglaching

Ein MVV-Bus auf der Straße zwischen Moosach und Taglaching.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Einheitliche Tickets, gemeinsame Fahrpläne, dichtere Takte: Der Münchner Verkehrsverbund will sich erweitern - vom Ammersee bis zum Spitzingsee.

Von Andreas Schubert

Mit einem einzigen Ticket vom Ammersee im Kreis Landsberg zum Spitzingsee im Kreis Miesbach: Dieses Ziel hat Bernd Rosenbusch gleich nach seinem Start als Chef des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV) verkündet. Damit, dass man für diese Strecke drei Fahrkarten lösen muss, soll es in absehbarer Zeit vorbei sein. Denn Freistaat, MVV und Kommunen im Großraum München arbeiten an der Erweiterung des Verbunds. Nun konkretisiert sich dieses Vorhaben, und auch die ersten beitrittswilligen Landkreise haben bereits Ansprüche angemeldet.

Der MVV will nun in einer von der Staatsregierung geförderten Studie klären lassen, für welche Landkreise und kreisfreien Städte sich ein Beitritt lohnen würde, welche Kosten dabei entstünden und welche rechtlichen Hindernisse es zu überwinden gelte. Passagiere sollen zudem nach ihren Fahrgewohnheiten gefragt werden. Als mögliche Kandidaten werden die Landkreise Miesbach, Garmisch-Partenkirchen, Weilheim-Schongau, Landsberg, Rosenheim, Landshut, Pfaffenhofen, Mühldorf und der südliche Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen, dessen nördlicher Teil bereits Mitglied ist, sowie die kreisfreien Städte Rosenheim und Landshut untersucht. Würden alle Kommunen mitmachen, würde das MVV-Gebiet einen Großteil von Oberbayern umfassen und nach Schwaben und Niederbayern hineinreichen.

Vor allem in Miesbach und Bad Tölz-Wolfratshausen stößt der Plan auf Zustimmung. "Ein Beitritt des Landkreises Miesbach könnte die Verkehrsprobleme entschärfen", sagt Landrat Wolfgang Rzehak (Grüne). "Der öffentliche Personennahverkehr mit dem Bus und auf der Schiene muss endlich eine verlässliche moderne Alternative zum Autoverkehr sein." Verstopfte Straßen sind längst nicht mehr nur ein Problem in München.

Dem schließt sich sein Tölzer Kollege Josef Niedermaier (Freie Wähler) an. Bisher schrecken nach Einschätzung der Politiker die unterschiedlichen Tarife viele Leute ab, das Auto stehen zu lassen und stattdessen den Bus oder den Zug zu nehmen. Die beiden Landräte wollen den Beitritt ihrer Kreise schnell vorantreiben - das haben sie bei einem Treffen mit MVV-Chef Rosenbusch in den vergangenen Wochen klargemacht. Wenn die Untersuchung 2021 fertig ist, soll es konkrete Verhandlungen geben. Diese sollten spätestes 2023 abgeschlossen sein, wenn es nach Rzehak und Niedermaier geht.

"Der Systemwechsel muss politisch verstanden werden", sagt Niedermaier. Was seinen Landkreis betreffe, sei die Ausweitung des MVV nur dann sinnvoll, wenn die Nachbarlandkreise mitmachten, durch die die Bayerische Oberlandbahn und die Kochelseebahn fahren. Einig sind sich Rzehak und Niedermaier darin, dass es mehr Regionalbusse als Zubringer zum Schienenverkehr geben muss als bisher.

Zurückhaltender äußert sich etwa der Landkreis Rosenheim. Dort hat der Kreistag Mitte Juli zwar ebenfalls beschlossen, sich an der Grundlagenstudie zu beteiligen. Eine Vorentscheidung über die künftige Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs sei damit aber noch nicht gefallen, wie die Politiker verkünden. Denn eine Erweiterung des MVV gibt es nicht kostenlos. Wer Teil des Systems werden will, profitiert nicht nur von einheitlichen Tickets oder einem besseren Takt. Er muss in der Regel auch sein Angebot selbst ausweiten und zum Beispiel bei defizitären Buslinien die Fehlkosten selbst tragen. Rosenheim hat das vor zehn Jahren schon einmal durchrechnen lassen, vier Millionen Euro hätte der Landkreis damals über das ohnehin bestehende Defizit hinaus zuschießen müssen.

Ein Ticket, ein Fahrplan: MVV-Chef Rosenbusch sieht Vorteile nicht nur für die Menschen, die draußen in den Landkreisen wohnen und beruflich pendeln müssen, sondern auch für die Touristen und Tagesausflügler, die aus München heraus aufs Land fahren. Seine Prognose, noch bevor die Studie überhaupt begonnen hat: "Es wird sich lohnen." Wer sich dem Verbund nicht anschließen wolle, so Rosenbusch, der hänge sich selbst ab. Je umfangreicher der MVV erweitert und das Angebot ausgebaut wird, desto mehr wird auch die Stadt München vom Verkehr entlastet, darin sind sich Experten einig. Denn viele Pendler, die erst mit dem Auto zu einem öffentlichen Verkehrsmittel kommen müssten, um in die Landeshauptstadt zu gelangen, fahren dann gleich dorthin mit ihrem Wagen weiter.

Derzeit sind die Stadt München und acht Landkreise mit zusammen fast drei Millionen Einwohnern in den MVV integriert. Der Verbund koordiniert die Zusammenarbeit der beteiligten Verkehrsunternehmen, er plant das Angebot, kümmert sich um die Tarife und die Kundeninformation. Im Jahr 2018 beförderten die S- und U-Bahnen, die Tram- und Regionalbahnen sowie die Busse mehr als 722 Millionen Fahrgäste. Wie kompliziert die Strukturen jetzt schon sind, zeigte die jüngste Tarifreform, die im Dezember in Kraft tritt. Jahrelang verhandelten die Partner, bis sie sich einigen konnten. Um noch mehr Anreize zu schaffen, wollen sie von März an eine streckenabhängige elektronische Fahrpreiserhebung testen. Dieses E-Ticket soll den Preis nach Luftlinie berechnen und auf jeden Fall günstiger als ein normal gekaufter Einzelfahrschein sein.

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