Süddeutsche Zeitung

Öffentlicher Nahverkehr:Diese Änderungen bringt die MVV-Tarifreform

  • Die Gesellschafter des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds haben sich an diesem Freitag auf die lange erwartete Tarifreform geeinigt.
  • Mit insgesamt 70 Millionen Euro Zuschuss vom Land und der Stadt München sollen fehlenden Einnahmen ausgeglichen werden.
  • In München soll kein Stammkunde mehr zahlen als bisher, aber auch die Vertreter der umliegenden Landkreise zeigen sich zufrieden.

Von Heiner Effern und Stefan Galler

Die Gesellschafter des MVV haben sich nach monatelangem Gezerre auf ein neues Tarifsystem geeinigt, das vom 15. Dezember 2019 an gelten soll. Die vier bisherigen Ringe im Innenraum werden wie geplant zur sogenannten M-Zone zusammengefasst. Nutzer von Monatskarten können dort nun - je nach Ticket - weitere Strecken zum gleichen Preis fahren oder bezahlen sogar deutlich weniger. Der Außenbereich umfasst sechs Tarifzonen. Diese werden aber oftmals mit sehr breiten Grenzen ausgestattet, so dass viele Städte und Gemeinden einen günstigeren Anschluss bekommen.

Die Reform soll den Ticketkauf deutlich vereinfachen. Statt 16 Ringen, vier Zonen und drei Räumen gibt es künftig nur noch sieben Teilregionen. Dazu wird das Seniorenticket neu aufgelegt. Künftig müssen Nutzer für dessen Kauf 65 Jahre alt sein, dürfen dafür aber ohne die jetzige Zeitbeschränkung (von neun Uhr am Morgen an) fahren. Als Übergangslösung dürfen alle Senioren, die momentan die Isarcard 60 im Abo haben, dieses behalten, bis sie die neue Altersgrenze behalten. Zudem wird das Sozialticket im gesamten Verbund eingeführt. Damit sinkt die Zahl der Verlierer der Tarifreform im Vergleich zu vergangenen Modellen nochmals deutlich. Zu denen werden die Käufer von Einzelfahrten oder Tagestickets gehören, deren Preis steigen wird. Die Streifenkarte soll das gleiche kosten wie bisher.

Dieses System wurde bei einer Sitzung der MVV-Gesellschafter im Rathaus in nur einer Stunde durchgewunken, nachdem sie zuvor über Monate erbittert gestritten hatten. Ein erster Kompromiss, dem bereits die Stadt München und sieben Kreistage zugestimmt hatten, stand im September wegen des Widerstands im Landkreis München auf der Kippe. Dort fühlten sich viele Kommunen vom neuen System über Gebühr benachteiligt. Im September kündigte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Wahlkampf dann völlig überraschend an, in weiter Ferne ein 365-Euro-Jahresticket anbieten zu wollen. Daneben ließ er erstmals die Bereitschaft erkennen, dass das Land den Betrieb des MVV bezuschussen könnte. Auf dieser Basis wurde dann neu verhandelt. Der Freistaat stellt nun 35 Millionen Euro pro Jahr bereit, die gleiche Summe, die die Stadt München zuschießt. Diese 70 Millionen befreiten den MVV und seine Tarifreform letztlich aus der tiefen Krise.

Mit dem Geld werden nun die fehlenden Einnahmen ausgeglichen, die der Reform geschuldet sind. Insgesamt würden die Tickets im Schnitt um sieben Prozent günstiger, heißt es in einer Mitteilung des Verkehrsverbunds. In der neuen M-Zone innerhalb der Stadt wird, wie von Oberbürgermeister Dieter Reiter gewünscht, kein Stammkunde für den MVV mehr Geld benötigen als bisher, viele Münchner werden sogar profitieren. "Selbst die bisherigen 1- bis 2-Ring-Kunden zahlen künftig für ihre Monatskarte nicht mehr als bisher, können dafür aber im gesamten Stadtgebiet fahren", sagte Reiter nach dem Treffen. "Die bisherigen 3-Ring-Kunden zahlen künftig 17 Prozent, 4-Ring-Kunden sogar 30 Prozent weniger." Das M-Ticket soll demnach künftig 55,20 Euro im Monat kosten, ermäßigt im Jahresabo kommt es auf umgerechnet 43,50 Euro.

Auch die Landkreise zeigten sich mit den Nachverhandlungen zufrieden. "Zu groß waren beim bisherigen Reformmodell die Härten für einige Fahrgastgruppen, insbesondere für die Einpendler in den Münchner Außenraum und die Senioren", sagte Robert Niedergesäß, Landrat in Ebersberg und Sprecher der MVV-Verbundlandkreise. Besonders stolz sei er, dass man überall ein Sozialticket habe durchsetzen können. "Mobilität darf nicht am Geldbeutel scheitern." Und auch der oberste Widerständler, der Münchner Landrat Christoph Göbel, sprach vom "großen Wurf" für seine Kommunen. "Nun sind alle Pendlerbeziehungen aus dem Landkreis in die Stadt und umgekehrt so attraktiv, dass möglichst viele Menschen auf Bus und Bahn umsteigen werden."

Wie sehr der MVV ihm entgegengekommen ist, zeigt ein Blick auf das neue Zonentableau. Die zentrale M-Zone umgibt nun eine dicke Grenzregion, in der viele Landkreis-Kommunen unterschlüpfen. Ihre Bewohner zahlen damit sowohl in die Stadt hinein als auch in ihrer Zone den geringstmöglichen Preis. "Das ist ein echter Kunstgriff", sagte Landrat Göbel. Schüler und Auszubildende dagegen müssen auf ihren Kunstgriff noch warten. Ihre Tickets werden zwar günstiger, gelten aber weiter nur für den Weg zwischen Wohnung und Ausbildungsstätte. Ursprünglich sollten sie nach der Reform auch für davon abweichende Fahrten in der Freizeit zu verwenden sein. Eine neue Regelung für diese junge Nutzergruppe werde nun für Ende 2020 angepeilt, sagte eine MVV-Sprecherin.

Die Streifenkarte soll weiter 14 Euro kosten. Damit steigt der Rabatt nach Rechnung des MVV um gut das Vierfache auf 15 Prozent, verglichen mit der Einzelfahrt. Die wird deutlich teurer, der Preis wird von 2,90 auf 3,30 Euro steigen. Damit die nun beschlossene Tarifreform verbindlich kommt, müssen neben dem Freistaat noch die Stadt München und alle acht Kreistage der MVV-Landkreise zustimmen. Bei diesem Kompromiss sollte das nun aber eine Formsache sein.

Alle Infos: www.mvv-muenchen.de/tarifreform

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SZ vom 24.11.2018/huy
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