Der Freitag vergangener Woche war wieder einmal ein gutes Beispiel dafür, dass in Münchens öffentlichem Nahverkehr etwas schiefläuft. Während wegen der Ferien morgens die Busse und U-Bahnen der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) sowie die S-Bahn so gut wie leer waren, drängten sich am Nachmittag unzählige Menschen in der Innenstadt. Und weil viele von außerhalb mit dem Auto gekommen waren, ging es gegen Abend auf den Straßen sehr zäh voran.
Darunter litten auch die Passagiere der Busse, die das Zentrum bedienen. Die Linien 52, 62 und 132 kamen im Stau nicht mehr voran und wurden umgeleitet. In der MVG-Prosa las sich das um 17 Uhr so: "Bei den o.g. MVG-Buslinien kommt es derzeit wegen hohen Verkehrsaufkommens im Stadtgebiet zu Beeinträchtigungen. Es ist mit Verspätungen sowie vereinzelten Fahrzeugausfällen und vorzeitigen Wendungen zu rechnen." Nur: Wer im Zentrum, etwa am Viktualienmarkt oder St.-Jakobs-Platz einsteigen wollte, bekam an den Haltestellen keine Information zu den Ausfällen. Keine Anzeige möglich, hieß es. Nur, wer die MVG-App auf dem Handy hat, wusste, dass in absehbarer Zeit überhaupt kein Bus zu erwarten ist.

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Eine Störung wie diese ist bei Weitem kein Einzelfall, zum Ärgernis der Fahrgäste. Der MVG ist der Mangel bewusst, ihr seit 2005 eingesetztes Leitsystem ITCS (Intermodal Transport Control System) sei inzwischen an seinen Leistungsgrenzen angelangt, räumt die Verkehrsgesellschaft ein. Deshalb schafft sie nun auch für Bus und Tram ein neues Leitsystem an, das voraussichtlich 2022 in Betrieb gehen soll. Kosten: insgesamt sechs Millionen Euro. Bei der U-Bahn ist die MVG schon etwas weiter. Auch hier wird das Leitsystem erneuert und schon 2020 in Betrieb gehen. Für dieses neue "U-Bahn Dispositions- und Informationssystem", kurz "UDIS", gibt die MVG neun Millionen Euro aus. Dann soll dank moderner und automatisierter Steuerung ein flüssigerer U-Bahn-Verkehr möglich sein und es soll auf Störungen schneller reagiert werden können.
Doch der Verkehr an der Oberfläche ist unberechenbarer als der im Untergrund. So spielen etwa das Verkehrsaufkommen auf den Straßen und das Wetter eine große Rolle. Das alte Leitsystem für die Busse und Trams könne die Disponenten bei der Abwicklung von Störungen nicht mehr umfassend unterstützen und die Fahrgäste in geeigneter Weise informieren, heißt es bei der MVG. Das bedeutet konkret: Wenn es auf den Straßen drunter und drüber geht, kommen die Disponenten schlicht nicht hinterher. Während ein automatisiertes System künftig die Fahrgäste rasch informieren soll, müssen die Infos derzeit noch von einem Mitarbeiter von Hand in das System eingetippt werden, das dauert seine Zeit. Und wenn die Straßen verstopft sind, sehen sie in der Zentrale zwar, wo ein Bus gerade ist. Wie schnell er vorankommt und wann er die nächste Haltestelle erreicht, ist aber nicht ersichtlich.
Die Minuten-Angaben an den Bushäuschen sind Schätzwerte, die nur auf der Entfernung des Busses von der Station basieren. Jeder Fahrgast weiß, dass diese Angaben sehr häufig nicht stimmen. "Die Schwachstellen des Systems werden dann deutlich, wenn man es am dringendsten bräuchte", sagt Jens Wagner, der Leiter der Betriebssteuerung bei der MVG. Künftig könnte für die Berechnung der Ankunftszeit zum Beispiel die Rollgeschwindigkeit des Fahrzeugs miteinbezogen werden, was genauere Angaben möglich machen würde.
Vier Disponenten sitzen in der Regel in der Leitstelle für die Busse und Trambahnen. Dazu kommt ein Kollege, der für die Durchsagen und Informationen an den Haltestellen zuständig ist. Im Raum nebenan sitzen 15 Kollegen, die den U-Bahnverkehr zentral steuern. Ende kommenden Jahres werden die beiden Leitstellen in einem neuen Gebäude zusammengefasst, dann sollen auch intern die Abläufe reibungsloser auf Zuruf funktionieren.
An Tagen mit normalem Verkehr läuft es eher ruhig ab in der Leitstelle. Die Disponenten sitzen an Bildschirmen, an denen sie die Positionen der Fahrzeuge verfolgen können. In Hauptverkehrszeiten sind etwa 500 Busse und 100 Straßenbahnen in München gleichzeitig unterwegs. Häufig kommt es dann zum Beispiel vor, dass zwei Busse zu dicht hintereinander her fahren. Dann nehmen die Mitarbeiter von der Zentrale aus eines der beiden Fahrzeuge aus der Linie und setzen es anderweitig ein. Fällt ein Fahrer während der Arbeit aus, wird per Telefon einer Fahrer der mobilen Reserve informiert. Beide Abläufe könnten künftig automatisch erfolgen, was die Leute in der Zentrale entlasten würde. Vorstellbar sei etwa, so Wagner, dass ein Reservefahrer per Push-Nachricht auf dem Smartphone informiert wird. Zu Spitzenzeiten stehen sechs bis acht Fahrer auf Abruf sowohl für den Bus- als auch den Trameinsatz bereit. Sind alle gleichzeitig im Einsatz, müssen Takte verdünnt werden.
Als am 28. Dezember der Verkehr in der Innenstadt stockte und die Fahrgäste ratlos an den Bushaltestellen standen, legte ausgerechnet zur Stoßzeit auch noch eine Weichenstörung die Stammstrecke der S-Bahn lahm. An diesem Umstand hätte auch ein noch so modernes Leitsystem der MVG nichts ändern können. Die hat mit den Problemen der Bahn nichts zu tun.