Mutmaßlicher SerienmörderErmittler finden Beweise für zweiten Mord durch Hilfspfleger

Lesezeit: 2 Min.

  • Die Münchner Staatsanwaltschaft befürchtet, dass Grzegorz Stanislaw Wolsztajn ein Serienmörder sein könnte, der mutmaßlich in ganz Deutschland Opfer mit Insulin vergiftet und ausgeraubt hat.
  • Nun haben Münchner Ermittler Beweise für einen zweiten Mord, den sie Wolsztajn zu Last legen.
  • Die Leiche eines Rentners aus dem Landkreis Kitzingen wurde obduziert. Das Ergebnis: Der alte Mann starb keines natürlichen Todes. Zuvor wurde er von dem Verdächtigen betreut.

Von Thomas Schmidt, München

Als ein 84-jähriger Rentner aus dem Landkreis Kitzingen im Januar starb, schien es, als sei seine Zeit einfach gekommen. Niemand ging von einem Verbrechen aus, kein Mensch ahnte, dass er das Opfer eines Mörders sein könnte. Ein natürlicher Tod wurde bescheinigt und der alte Mann zu Grabe getragen. Dass der Pflegebedürftige zum Zeitpunkt seines Todes seit drei Tagen von einer polnischen Hilfskraft betreut wurde, weckte kein Misstrauen. Warum auch? Doch zweieinhalb Monate später, heute, sieht alles anders aus. Denn der Hilfspfleger, der sich um den 84-Jährigen kümmern sollte, war Grzegorz Stanislaw Wolsztajn.

Der 36-jährige Pole sitzt seit Februar in Stadelheim in Untersuchungshaft. Die Münchner Staatsanwaltschaft befürchtet, dass Wolsztajn ein Serienmörder sein könnte, der mutmaßlich in ganz Deutschland Opfer mit Insulin vergiftet und ausgeraubt hat.

Verbrechensserie
:Getötet, vergiftet, ausgeraubt

Die Liste der Vorwürfe, die einem Hilfspfleger gemacht werden, ist lang. Wie viele Pflegebedürftige hat der Mann auf dem Gewissen? Und warum flog er nicht früher auf?

Von Thomas Schmidt

Am Dienstag gab nun der Chefermittler der Münchner Mordkommission, Josef Wimmer, bekannt, dass die Leiche des Rentners aus Kitzingen exhumiert und im Münchner Institut für Rechtsmedizin obduziert worden sei. Das Ergebnis: Der alte Mann starb keines natürlichen Todes. Stattdessen hätten die Mediziner "Auffälligkeiten festgestellt", die "einen dringenden Tatverdacht" begründen. Einen weiteren Verdacht gegen Wolsztajn.

Der Fall aus dem Landkreis Kitzingen ist offiziell der zweite, bei dem die Ermittler handfeste Beweise für einen Mord sammeln konnten. Vermutlich wird er nicht der letzte sein. Denn die Münchner Mordkommission überprüft derzeit noch vier weitere Todesfälle aus unterschiedlichen Bundesländern, die im Zusammenhang mit Wolsztajn stehen könnten. Eine dieser Leichen wurde ebenfalls exhumiert, erklärt Wimmer, allerdings sei sie bereits so stark verwest, dass die Obduktion schwierig sei.

Hinzu kommen noch zahlreiche weitere Verdachtsfälle, mindestens fünf Mordversuche und 15 Diebstahlsdelikte, die dem Hilfspfleger zur Last gelegt werden. Einen Todesfall aus dem Landkreis Mülheim an der Ruhr stuft die Münchner Staatsanwaltschaft lediglich als Mordversuch ein, weil sich bisher nicht beweisen lässt, dass der demente Rentner tatsächlich an den Insulininjektionen gestorben ist, die Wolsztajn ihm verabreicht haben soll.

Dieser Fall ist besonders tragisch, denn er hätte zugleich der letzte sein können. Die Tochter des Toten verdächtigte sofort den Hilfspfleger und zeigte ihn bei der Polizei an. Doch die Ermittler gingen dem Verdacht bestenfalls halbherzig nach. Der Beschuldigte, der bereits in Polen in Haft gesessen hatte, wurde nicht einmal vernommen, geschweige denn festgenommen. Die Beamten holten keine Erkundigungen über den Tatverdächtigen in anderen Bundesländern ein und fragten auch nicht bei ihren Kollegen in Polen nach, bei denen Wolsztajn längst aktenkundig war.

Wegen dieser Schlamperei konnte der 36-Jährige weiter ungestört in der ganzen Bundesrepublik als Hilfspfleger arbeiten. Die zuständige Polizei in Essen räumte vergangene Woche Fehler ein, drei Beamte wurden suspendiert und zwei weitere versetzt. "Vor dem Hintergrund der schrecklichen Taten beschäftigt mich die Frage, ob weitere Verbrechen hätten verhindert werden können, wenn die Ermittlungsarbeit konsequenter durchgeführt worden wäre", sagte Polizeipräsident Frank Richter. "Ich kann diese Frage nicht beantworten."

Dass Wolsztajn letztlich doch festgenommen wurde, ist der Münchner Polizei zu verdanken. Deren Beamte vernahmen den Hilfspfleger, nachdem ein 87-Jähriger aus Ottobrunn gestorben war. Bei der Befragung gab Wolsztajn zu, dem Pflegebedürftigen Insulin gespritzt zu haben, obwohl der Rentner kein Diabetiker war. Als der alte Mann nur noch leblos im Bett lag, raubte er ihm sein Geld und die EC-Karten. Auch das habe Wolsztajn gestanden, sagte Mordermittler Wimmer. Doch seitdem er in Haft sitze, schweige der 36-Jährige zu allen Vorwürfen.

Auch dank der öffentlichen Fahndung mit dem Foto des Verdächtigen hat die Polizei bis jetzt 57 Adressen in Deutschland ausfindig gemacht, an denen Wolsztajn beschäftigt war. "Er ist ja markant im äußerlichen Erscheinungsbild", sagt Wimmer. Am Mittwochabend soll die mutmaßliche Mordserie in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" aufgegriffen werden, weil die Ermittler so viele Menschen wie möglich auf den Fall aufmerksam machen wollen. Schließlich dachte bei dem gestorbenen Rentner aus dem Landkreis Kitzingen zunächst auch niemand an Mord.

© SZ vom 28.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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