Süddeutsche Zeitung

Mutmaßlicher Kriegsverbrecher:Demjanjuk bleibt vorerst in den USA

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Beamte hatten ihn schon abgeholt - dann die überraschende Wende: In letzter Minute stoppte ein US-Gericht die Auslieferung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers.

Ein Berufungsgericht in den USA hat am Dienstag überraschend die Auslieferung des früheren KZ-Wächters John Demjanjuk nach Deutschland vorerst gestoppt. Der 89-Jährige war zuvor bereits von Beamten der Einwanderungsbehörden aus seinem Haus in Ohio geholt und in Abschiebehaft genommen worden - und sollte eigentlich noch am Dienstagabend in einer Sondermaschine nach München geflogen werden.

Sein Sohn, John Demjanjuk Jr. sagte, die Gesundheit seines Vaters, der sein Vater, der im Rollstuhl sitzt, sei schlecht, er könne nicht gehen und nicht reisen. Die Familie hatte deswegen das Gericht angerufen und so die Auslieferung im letzten Moment verhindert. Staatsanwaltschaft und Polizei in München hatten sich bereits darauf vorbereitet, Demjanjuk an diesem Mittwoch am Flughafen in Empfang zu nehmen. Seine nächste Station sollte das Gefängnis Stadelheim sein.

Der gebürtige Ukrainer Demjanjuk sollte schon vor zwei Wochen abgeschoben werden. Seine Familie kämpfte seitdem um einen Aufschub der Überstellung nach München, wo ein Haftbefehl vorliegt.

Demjanjuk wird beschuldigt, 1943 im NS-Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen als Aufseher Menschen aus Zügen in die Gaskammern getrieben zu haben. Der Vorwurf lautet auf Beihilfe zum Mord in 29.000 Fällen, eine Anklage liegt allerdings noch nicht vor.

Der 89-Jährige, der 1951 in die USA ausgewandert war und die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, bestreitet die Vorwürfe. Nachdem ihm die Staatsbürgerschaft aberkannt wurde, ist Demjanjuk mittlerweile staatenlos. Die Abschiebung wurde erst durch die Zusicherung Deutschlands möglich, ihn hier aufzunehmen und ihm hier den Prozess zu machen.

Der Rechtsstreit um die Auslieferung zieht sich bereits seit Wochen hin. Demjanjuks Familie und seine Anwälte versuchen, die Überstellung mit allen juristischen Mitteln zu verhindern. Sie verweisen immer wieder auf den angegriffenen Gesundheitszustand des 89-Jährigen und behaupteten, ein Transport käme "Folter" gleich.

Ein Berufungsausschuss in den USA hatte die Anträge am Freitag abgelehnt. Am Dienstag hatten die Anwälte Demjanjuks das Bundesberufungsgericht (Court of Appeals) angerufen. Diese letzte Instanz entschied nun kurz bevor Demjanjuk in das Flugzeug nach München gesetzt wurde, dass er vorerst in den USA bleiben kann. Ein US-Arzt hat Demjanjuk indes für reisefähig erklärt.

Die deutschen Behörden waren bis zur Ankunft ohne Einfluss auf die Prozedur. Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums sagte der SZ: "Wir können hier weder etwas verzögern noch beschleunigen, das liegt allein in den Händen der USA."

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SZ vom 15.04.2009/dmo
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