Süddeutsche Zeitung

Mut zum Hut:Gut behütet

Robin Westermann aus Stockdorf ist Hutmacherin und hat ihren Beruf in England erlernt. Besonders gerne fertigt sie Modelle im Stil der Zwanziger- und Dreißigerjahre

Von Astrid Becker, Stockdorf

Ihr persönlicher Favorit ist moosgrün. Weil das eine Farbe ist, die ihrem Teint, ihren Augen und ihrem Haar schmeichelt. Wer schon mal etwas von Typberatung gehört hat, weiß, wovon Robin Westermann spricht. Vom Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Wintertyp. Robin Westermann, die in Stockdorf zu Hause ist, hat sich genau damit befasst. Sie sieht, wem was steht. Wichtig in ihrem Beruf: Denn Westermann ist Hutmacherin und gehört damit einer recht exotischen Zunft an - oder anders gesagt: einer fast ausgestorbenen Art.

Hüte, ja, sie sind ein Nischenprodukt. Das gibt auch Robin Westermann sofort unumwunden zu. Trotzdem hat sich die Frau mit den braunen Augen und dem eher ins aschblonde gehende, über die Schulter reichende Haar vor gut sechs Jahren entschlossen, genau dieses Handwerk noch einmal zu lernen. Die Kinder, ein Sohn und eine Tochter, haben damals zu studieren begonnen, und sie fragte sich, was sie mit der Zeit anfangen solle, die sie nun wieder für sich habe.

Weil sie schon früher geschneidert hatte, Nadel und Faden ihr über Mutter und Großmutter "praktisch in die Wiege" gelegt worden war, verfiel sie auf die Sache mit den Kopfbedeckungen. Ihr Handwerk lernt sie bei renommierten britischen Hutmachern - allen voran bei Rose Cory, die für die gestorbene Queen Mum gearbeitet hatte. Aber auch bei Caroline Morris und Louise Pocock. Mit beiden Frauen steht sie noch immer in Kontakt: "Wenn ich bei einem Hut nicht weiterkomme, frage ich dort um Rat. Sie geben mir immer Tipps, das ist in England anders als in Deutschland", sagt sie.

Dass sie dort ihre Ausbildung absolvierte, liegt nahe. Nicht nur weil sie aus der Nähe der kanadischen Stadt Toronto stammt und Englisch ihre Muttersprache ist. Nein, Großbritannien und Hüte - das gehört untrennbar zusammen. Nirgendwo sei die Szene der Hutmacher so groß wie dort, die Liebe zur Kopfbedeckung so ausgeprägt, schwärmt Westermann: "Die Erklärung dafür ist einfach. Denken Sie doch mal an die bekannten Pferderennen, Ascot als bestes Beispiel, und natürlich an die Royals."

Für die Deutschen würde sie sich so ein Stilbewusstsein wünschen: Hüte immer mit den passenden Handschuhen anzuziehen. Und natürlich überhaupt die Nachfrage nach Hüten zu steigern. "Viele Frauen sagen zu mir, sie müssten erst einmal ihren Mann fragen, ob der Hut ihm gefalle", sagt sie. Oder manche meinten sogar, ihre Männer würden sich scheiden lassen oder mit ihnen nirgendwo mehr hingehen, wenn sie Hüte trügen.

Aber das alles ahnte sie wohl noch nicht, als sie sich für ihre Ausbildung an der Inkberrow School of Design in Großbritannien mit dem Schwerpunkt Hutmacher anmeldete und dort erfolgreich das Level eins und zwei absolvierte. Mal was anderes, muss sie sich damals gedacht haben. Denn selbst habe sie zu der Zeit nie Hüte getragen: "Ich dachte, das steht mir nicht", erzählt die Frau, die ihr Alter nicht gern verraten will. Heute lacht sie über ihre damalige Einschätzung: "Es gibt für jedes Gesicht einen passenden Hut", sagt sie, und das hört sich bei ihr keinesfalls wie Selbstmarketing an. Westermann wirkt vielmehr wie ein Mensch, der Freude dabei empfindet, wenn er ein neues Modell kreiert: "Wenn ich an meinen Hüten arbeite, vergesse ich alles", sagt sie. Hutmachen sei einfach perfekt, um von Stress im Alltag abzuschalten.

Was sie wie eine reine Meditationsübung darstellt, ist jedoch harte Arbeit, die viel Fingerfertigkeit, Stilsicherheit, Gespür für Farben wie Formen und vor allem Geduld verlangt. Denn allein die Recherche nach den Materialien gestaltet sich meist wie die Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen. Denn Geschäfte mit einem umfangreichen Stoffsortiment oder dergleichen, so wie früher, gibt es kaum mehr, schon gar nicht in Reichweite, wie sie erzählt.

Einen großen Lieferanten in Deutschland hat sie noch, ansonsten muss sie sich aus Restbeständen im Internet bedienen oder eben im Ausland kaufen. Und da kommt es immer auch auf die Qualität an, denn Westermanns Maßstäbe sind hoch. So verwendet sie beispielsweise nur in Ecuador handgewebtes Panama-Stroh. Sinamay, eine Art Spitze, die sich gut versteifen lässt, setzt sie in einer Vielzahl von starken Farben als Deko ein und formt es von Hand. Westermann schwört auf strapazierfähigen, aber ebenso luxuriösen Hasenhaarfilz als Grundmaterial und setzt immer wieder auch Original-Vintage-Stoffe, antike Broschen und Hutnadeln ein, um ihre Kreationen zu schmücken.

Doch das ist nicht alles. Um Hüte zu machen, braucht es spezieller Hutformen aus Holz, die ebenfalls recht teuer sind und die Westermann oftmals auch über Ebay findet. Es sind verschieden geformte hölzerne Blöcke, die die Form des Hutes vorgeben. Bei Westermann meist Originale aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren: "Ich mag die Stilistik dieser Zeit, weil sie so vielfältig ist und wirklich jeder Frau steht."

In ihrem Atelier im Dachgeschoss stehen sie denn auch alle, die verschiedenen Modelle, Borsalinos sind darunter, Trilbys und diverse Kappen. Aus Stroh sind einige gefertigt. Ihre Kreationen stellt sie auch immer wieder auf Messen vor, zum Beispiel auch auf der weltgrößten Schau, der "Mut zum Hut", die interessanterweise nicht in Großbritannien, sondern in Deutschland stattfindet. Für Westermann eines der wichtigsten Ereignisse im Jahr, nicht nur, um sich dort zu präsentieren. Sondern, weil ihr die Philosophie, die sich dahinter verbirgt, ein Anliegen ist: die Frauen wieder zum Huttragen zu ermuntern. Weil es einfach chic ist, wie sie sagt.

Oder auch mal den "kleinen Regenschirm" ersetzt, wie ihr Mann Rainer den Hut als solchen nennt. Robin Westermann sieht das jedenfalls ähnlich. Als die ersten Tropfen an diesem Tag fallen, setzt sie auch einen Hut auf. Den moosgrünen natürlich, was sonst.

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Quelle:
SZ vom 10.01.2019
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