"O Scarpia, avanti a Dio!" (O Scarpia, wir sehen uns vor Gottes Thron! ) Ein letzter wütender Schrei, und Floria Tosca stürzt sich von der Engelsburg. Nein, nicht in den Tiber. Wer mal vor Ort in Rom war, wird bemerkt haben, dass es zwischen Festung und Fluss noch ziemlich viel Land gibt, das zu überwinden keine Sopranistin dieser Welt sportlich genug wäre. Toscas Ende, schon Puccini, man weiß es, hätte sich ein unkomplizierteres gewünscht als diesen finalen Sprung. Bis heute stellt er auch Regietheater-gestählte Opernregisseure immer wieder vor enorme Herausforderungen.
Für den ORF hat Otto Schenk, der Altmeister, einst die wunderbare Persiflage "Tosca auf dem Trampolin und andere Opernkatastrophen" gedreht, an die sich das Münchner Publikum immer mal erinnert fühlte, wenn bei der Luc-Bondy-Tosca das Licht zu spät ausging und die arme Sängerin dann recht unvorteilhaft an einem Gurt zwischen Bühnen-Himmel und Bühnen-Boden baumelte. Jetzt gibt es die Nachfolge-Inszenierung von Kornél Mundruczó an der Bayerischen Staatsoper. Wer wissen will, wie es seiner Tosca am Ende sprungtechnisch ergeht: Vorstellungen gibt es am 26. /29. Mai sowie am 1., 3., 6. und 9. Juni, und dann Ende Juli bei den Opernfestspielen.
Wenn wir schon mal auf dem Nostalgie-Trip sind (mit Otto Schenk und der Luc-Bondy-Tosca): Edita Gruberova singt "Casta diva" in Jürgen Roses " Norma"-Inszenierung. Das war einer dieser Momente, in denen die Zeit stillstand im Nationaltheater. Alle, die den Part in Bellinis Oper seither gesungen haben, müssen sich da messen lassen an der 2021 gestorbenen Belcanto-Königin. Auch Sonya Yoncheva, die die Druidin Norma nun an der Staatsoper singen wird (30. Mai, 2., 7., 10. Juni, und im Juli). Als Pollione ist der maltesische Tenor Joseph Calleja angekündigt, und auf Tara Erraught (Aldagisa), die einst zum Opernstudio und dann zum Ensemble der Staatsoper gehörte, freut man sich ohnehin immer.

Opern mit Frauennamen im Titel: Für die Protagonistinnen geht es zumeist schlecht aus, siehe Tosca, siehe Norma, siehe La Traviata (an der Staatsoper übrigens wieder von 18. Juni an). Aber es gibt auch Überlebende. Gioachino Rossinis " La Cenerentola" ist so ein Glücksfall, denn natürlich bekommt Angelina, das Aschenputtel, in dieser Opera buffa am Ende ihren Prinzen Don Ramiro, und die zickigen Stiefschwestern Clorinde und Tisbe schauen mit dem Ofenrohr ins Gebirge. In der legendären Inszenierung von Jean-Pierre Ponnelle aus dem Jahr 1980 singen an der Bayerischen Staatsoper Isabel Leonard (Titelrolle), Lawrence Brownlee (Don Ramiro) und Emily Sierra (Tisbe), am Pult steht Ivor Bolton (14., 16. und 19. Juni).

Und noch eine Diva, sie ist im Juni (7., 9., 12., 15. und 29.) im Gärtnerplatztheater unterwegs, schlafwandelnd. In Vincenzo Bellinis " La Sonnambula" macht sich die Heldin Amina nächtens zu unbewussten Ausflügen auf, was zu reichlich Verwicklungen führt im friedlichen Dorfidyll in den Schweizer Alpen. Eigentlich ist sie dem jungen, wohlhabenden Bauer Elvino versprochen, der ihretwegen seine Verlobung mit der Wirtin Lisa aufgelöst hat. Deren Rachestunde scheint gekommen, als man Amina schlafend in der Gasthauskammer des inkognito reisenden Grafen Rodolfo auffindet. Bis sich am Ende alles aufklärt, genießt man in dieser Inszenierung von Michael Sturminger aus dem Jahr 2015 virtuose Koloraturen und den wunderbaren Chorgesang. Die Titelrolle singt Jennifer O'Loughlin.