Süddeutsche Zeitung

Machtmissbrauch:Musikhochschule befragt alle Studierenden zu Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt

Nach der Gefängnisstrafe gegen Ex-Präsident Siegfried Mauser will das Haus künftig Übergriffe verhindern. Eine Studie unter den Hochschulangehörigen zu Machtmissbrauch und Diskriminierung soll Aufschluss geben, wo Verbesserungen nötig sind.

Von Susanne Hermanski

Die Causa Mauser hat die Hochschule für Musik und Theater München (HMTM) nachhaltig erschüttert. Deren ehemaliger Präsident Siegfried Mauser wurde unter anderem wegen sexueller Nötigung zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Insgesamt vier Frauen hatten den Musikprofessor wegen sexueller Verfehlungen angezeigt, die Prozesse fanden in den Jahren 2015 und 2017 statt. Auch gegen den ehemaligen Kompositionsprofessor Hans-Jürgen von Bose wurde ermittelt.

Seither hat die Hochschule versucht, im eigenen Haus aufzuarbeiten, was geschehen ist, und verschiedene Maßnahmen eingeleitet, um etwa künftige Übergriffe im Lehrer-Schüler-Verhältnis oder unter Kolleginnen und Kollegen zu verhindern. Jetzt hat die Hochschulleitung für das Sommersemester 2023 erstmals eine externe wissenschaftliche Befragung aller Hochschulangehörigen zum Thema "Machtmissbrauch, sexualisierte Gewalt und Diskriminierung" in Auftrag gegeben.

Diese Studie wird durch das "Institut für Praxisforschung und Projektberatung" (IPP) konzipiert, umgesetzt und ausgewertet. Ziel sei es, "den aktuellen Stand der Erfahrung von Studierenden, Lehrenden und Beschäftigten der Hochschulverwaltung mit Machtmissbrauch, sexualisierter Gewalt und Diskriminierung zu erfassen". Man wolle überprüfen, ob die Maßnahmen, die in den letzten Jahren ergriffen wurden, Wirkung zeigten und wo noch weitere Verbesserungen nötig seien. So ist nun etwa Unterricht in Privaträumen verboten, es wurden Beschwerdewege institutionalisiert inklusive eines Netzwerks von Vertrauenspersonen. Ein "Code of Conduct" wurde festgelegt und ein umfangreiches Angebot zur Fortbildung, Aufklärung und Sensibilisierung geschaffen.

Lydia Grün, seit 2022 Präsidentin der HMTM, sagt: "Ein respektvoller Umgang miteinander und ein klares Bewusstsein für Verantwortung und Grenzen bei allen Beteiligten sind Grundvoraussetzungen für die qualitativ hochstehende und inspirierende Ausbildungsarbeit, nach der wir streben. Unsere Hochschule muss ein sicherer Ort für alle Hochschulangehörigen sein."

Das IPP München ist ein unabhängiges Forschungsinstitut in der Trägerschaft des gemeinnützigen Vereins für Psychosoziale Initiativen (VfPI). Es hat Erfahrung mit Studien im Kontext mit sexualisierter Gewalt. So hat das IPP auch schon in der Odenwaldschule in kirchlichen Einrichtungen und Organisationen entsprechende Untersuchungen angestellt. Finanziell wird die Studie vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst getragen.

Das IPP lässt sich an der HMTM von einer Begleitgruppe unterstützen, die aus sämtlichen Bereichen kommen - Studierende, Lehrende und Beschäftigte der Verwaltung. Später werden alle Hochschulangehörigen mit einem gezielt entwickelten Fragebogen befragt. Diese "Vollerhebung" wird entsprechend aller Datenschutzbestimmungen und, aufgrund der Internationalität der Hochschule, auf Deutsch und Englisch stattfinden. Eine öffentliche Präsentation der Ergebnisse ist im Verlauf des Wintersemesters 2023/24 geplant.

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