Strawinsky und Mussorgsky:Platz für alle Sinne

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(Foto: N/A)

Die illustrativen Werke "Petruschka" und "Bilder einer Ausstellung".

Von Rita Argauer

Jahrmarkt und Theater, Ballett und Ausstellungen, Legenden und Geschichten - in der Kombination von Igor Strawinskys Ballettmusik "Petruschka" und Modest Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" birgt dieses Album ein überbordend sinnliches und illustratives Fest der Lebendigkeit und der verschiedenen Künste. Mariss Jansons hat den frühmodernen Strawinsky und Mussorgskys Programmmusik mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks gespielt. Und man braucht Raum, ja Platz, am besten ein leeres Zimmer, um hier in vollem Genuss zuhören zu können. Denn diese Stücke - besonders "Petruschka", dessen Urversion Strawinskys 1911 für Sergei Djagilews Kompanie Ballets Russes komponierte - erzählen sehr viel und das Ganze so bildreich wie drastisch. Das fordert alle Sinne.

So ist Petruschka eine wild gestikulierende Gliederpuppe und als Geschichte in einer grellen Jahrmarktszenerie angesiedelt. Die Komposition dazu ist eine wilde Collage aus verschiedenen Themen und Melodiefetzen, zusammengestellt aus zum Teil vorgegebener Musik. Und auch Maurice Ravels Orchestrierung von Mussorgskys Klavierzyklus spart nicht an Farben. Doch besonders in "Petruschka", das BRSO spielt hier (Aufnahme aus der Philharmonie im Gasteig vom April 2015) die revidierte Fassung von 1947, hört man wie genau sich Jansons mit einer solchen Kombination von Trivial- und Kunstmusik schon bei Mahler auseinandergesetzt hast: Den zum Teil bitonal aufeinandergeschichteten Motiven begegnet Jansons mit viel Liebe zu den einzelnen musikalischen Charakteren. Schwebend und klar wirkt diese übervolle Musik zu Beginn, dann pumpen hochemotional die Bässe dazwischen und treffen auf ländlerisch-süße Walzerseligkeit (übrigens mit zwei vom Wiener Walzer-Komponisten Joseph Lanner entliehenen Melodien) mit hell-störenden Streichern dazwischen. Es folgen Mystik, pompöse Blechbläser und raunende Streicherschichten. Und trotz dieser wilden und kontrastreichen Mischung, bleibt die Musik immer von durchdringender Helligkeit, Freude und Klarheit.

Ein wenig geordneter, tonal wie strukturell, geht es bei Mussorgskys musikalischem Ausstellungsrundgang zu (Aufnahme aus dem Münchner Herkulessaal vom November 2014). Majestätisch schreitet das Orchester in den Promenaden voran, doch in der Auszeichnung der einzelnen Bilder zeigt sich Jansons große Freude an reicher Musik, die etwas zu erzählen und zu bewegen hat. Gleichzeitig bewirkt die Jansons' eigene Präzision, dass es trotz des illustrativen Charakters nie dick aufgetragen klingt. Orchester und Dirigent sind hier zu einem Super-Instrument verschmolzen, in dem feinste musikalische Ausprägungen aufeinander reagieren können, einander Platz geben und nehmen und so den Kompositionen zu strahlender erzählerische Stärke verhelfen.

© SZ vom 01.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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